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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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mit Luka auf dem Arm die Küche. Astrid wird nervös, sieht sich um und sagt mit zittriger Stimme: »Willem!«
    Und ich sage: »Er ist behindert, aber er ist kein Kampfhund, verstehst du. Blöd, aber lieb.«
    »Willem«, sagt sie noch mal und will hinterher, aber Willem hält sie fest und flüstert ihr ins Ohr. Astrid steht unsicher auf der Türschwelle und weiß nicht, was sie tun soll, sie verlagert ihr Gewicht von einem Bein aufs andere, hin und her, und lächelt unsicher. Sie lächelt. Und ich denke: Lächel doch nicht schon wieder, ich mag dich eh nicht. Sei doch einfach ehrlich und sag, was du willst. Meinetwegen brauchst du nicht so freundlich zu sein.
    »Ich geh mal hinterher«, sagt sie, »nur gucken!«
    »Moment kurz«, sage ich, »ich muss da was mit euch besprechen, mit euch beiden. Wegen Tom.«
    »Ja, da müssen wir uns jetzt was einfallen lassen«, sagt Willem. Astrid zittert leicht und er nimmt sie fester in den Arm und küsst sie. »Du schaffst das ja nicht alleine.«
    »Klar«, sage ich, »klar schaff ich das alleine.« Und das stimmt, wir schaffen das. Wir schaffen das schon die ganze Zeit, seit Großmutter so richtig abgeschaltet hat. Ich kümmere mich um Tom und das Haus und die Steuern und den Einkauf. Das hat geklappt, alles hat geklappt und es wird weiterhin klappen und ich werde Abitur machen in ein paar Monaten und ich werde bestehen. Wir haben alles geschafft und ich werde es auch weiterhin schaffen, mit Tom, ich will gar nicht ohne ihn, man kann alles auch mit ihm machen, er macht es nicht einfacher, aber er macht nichts unmöglich. Tom bringt einen dazu, nur das zu tun, was man wirklich tun will. Man muss nur wissen, was man will und dann muss man es tun. Trotz Tom, mit Tom, wegen Tom.
    Die beiden nicken mir zu. Dann sage ich – und es stimmt gar nicht, ich sage es nur, weil ich ihre Gesichter sehen will, weil ich Astrid sehen will, weil ich sie testen will: »Aber nach dem Abi mache ich mit Martin, das ist mein Freund, eine Weltreise. Ich weiß noch nicht wie lange, aber mindestens ein halbes Jahr und weil Großmutter jetzt tot ist, müsst ihr Tom dann halt nehmen, da will ich halt mal weg.« Eigentlich wäre das echt eine gute Idee, denke ich und sehe den beiden ins Gesicht.
    Astrid ist weiß und starr. Sie steht auf und sagt: »Ich seh mal nach den beiden jetzt.« Sie verschwindet im Flur und Willem beugt sich zu mir rüber und zischt mich an: »Was soll die Show?«
    »Was denn? Ich hab Großmutter nicht umgebracht.«
    »Warum trampelst du so rum? Sie ist extra mit hergekommen. Astrid ist noch ganz durcheinander von der Geburt.«
    »Warum hast du ihr nichts von Tom erzählt?«
    »Warum denn? Muss man von seinem behinderten Bruder erzählen, ist das Pflicht?«
    »Muss man ihn verleugnen?«
    »Ich hab ihn nicht verleugnet, nur nichts davon erzählt, weil – warum hätte ich denn sollen? Das interessiert doch niemanden.«
    »Das, ach so: Das Tom, das behinderte Etwas, häh? Du bist ein Arsch, echt.« Ich provoziere ihn nur. Ich finde, er hat eine Abreibung verdient.
    Willem ist böse auf mich. Er steht auf und geht in den Flur, sucht Astrid. Sie holen ihr Baby, ich höre, dass Tom laut rumgrummelt. Sie bringen ihr Kind in Sicherheit und alles ist wieder gut. Ich höre sie ins Wohnzimmer gehen und reden. Ich lausche, kann aber nichts verstehen, höre nur die Stimmen, gedämpft und unverständlich. Ich bin froh, dass ich nicht verstehen kann, was sie sagen.
    Die beiden kommen zurück in die Küche, zu mir an den Tisch. Sie setzen sich geräuschvoll und sind dann leise, wort- und blicklos, und nach einer Minute oder zwei kommt Tom dämlich grinsend in die Küche und stellt sich vor den Tisch. Ihm läuft ein Sabberfaden aus dem Mund. Er wirft sich auf den Boden, will Aufmerksamkeit. Ist alles zu viel für ihn.
    Er liegt auf dem Rücken, wackelt ein bisschen mit seinen dünnen Beinen in der Luft herum und macht: »Blablabla.« Astrid weint, jetzt hält sie es wenigstens nicht mehr zurück.
    »Elli«, sagt Willem.
    »Elli, Elli«, sagt Tom.
    »Das Beste wäre doch«, sagt Willem, »wenn wir ein richtig schönes Heim für ihn finden würden. Eins bei dir ganz in der Nähe.«
    Ich stehe auf, greife Tom unter die Arme und ziehe ihn hoch. »Okay«, sage ich, »schon gut, mach ich eben keine Weltreise, ist in Ordnung. Hauptsache, ihr habt nicht so einen Stress. Passt auch gar nicht zu euch, so ein Behindi.«
    »Elli«, sagt Willem, und Tom lacht, »das ist doch keine Lösung, du kannst doch nicht

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