Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen
wird gar nicht mehr hergestellt. Sonst Jeans, sonst Bier, sonst College-Jacke. Ich bin gegen schlaue Sprüche, ich bin Bauhelfer, das reicht mir, Bücher sind mir zu tot, Frauen zu anstrengend, Ziele zu enttäuschend. Ich guck, was kommt, ich mach, was geht, die Jungs halten mich für den nachdenklichen Typen, weil ich nicht viel rede, für den konsequenten, weil ich mich nie auf irgendwelche Frauen oder Jobs eingelassen hab, weil ich nicht um sieben zum Abendessen erwartet werde. Sie lachen über mich, aber sie bewundern mich. Wir drei sind alte Kumpels und samstags sind wirs immer noch.
Bonobo, der Yuppie, und Kappelmann, der Freizeitpsycho. Wenn man sie an einem Montag oder Dienstag sieht, würde man ihnen nichts von ihrem Samstagsdasein zutrauen, niemals. Mir nimmt man das ab, ich seh schon so aus, ich hab nicht nur am Wochenende eine Glatze, hab mich bis zum Hals tätowieren lassen und meine Nase ist klein und in den Schädel geprügelt. Kann sein, dass ich hässlich bin, ich interessier mich nicht für Spiegel.
Ich seh die beiden vorne in der zweiten Reihe stehen und schwanken, haben sich umarmt und grölen irgendwas, das sie selbst nicht richtig verstehen. So dumm können sie sich saufen.
Ich komm ihnen entgegen, Plastikbiere in den Händen, Ellbogen raus und durch die anderen Bekloppten. Gar nicht einfach, das Bier zu balancieren, bei den Massen von Menschen hier. Bin nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt, gröle »Oi«, sie sehen mich und drehen sich und schreien »Dixi, Bier her!«, lachen ihr Idiotenlachen. Da dreht sich die arme Sau neben mir, stößt mich an und ich verschütte Bier. Jetzt kriegt er auf die Fresse, so sind die Regeln. Wir sind hier nicht im Gerichtssaal, so ist Stehplatz, kann man nicht ändern. Der Kleine sieht nicht aus, als ob er hergekommen wär, um Fäuste zu futtern, der hat nicht mal nen Schal, ist wahrscheinlich nur mitgekommen. Herr Kappelmann zögert aber nicht, rammt ihm sein knochiges Knie in die Eier und gießt ihm sein ganzes Plastikbier in den Nacken.
»Bierverschütter, Mutterficker«, sagt er und er geht mir mit dem Scheiß echt auf die Nerven, gleich will er wieder bei uns mittrinken. Ständig verschüttet er sein Bier und wundert sich dann, wo es denn hin ist und will nur mal nippen und säuft einem den halben Becher aus.
Herr Kappelmann, Perückenträger, Ästhet der Gewalt, Rechtsanwalt und Hooligan. »Geht schon«, sagt er immer. Samstagmorgen, wenn wir uns sehen, immer seine ersten Worte: »Geht schon, geht schon.« Das bellt er den ganzen Tag, egal ob es passt oder nicht.
Samstags treffen wir uns immer bei mir, da besuchen die beiden die Arbeiterklasse. Da setzt der Herr Kappelmann seine Goldlöckchenperücke, die so viel kostet wie ein Kleinwagen, gar nicht erst auf, da isst er kein Frühstücksmüsli, trinkt keinen frisch gepressten Orangensaft, schüttelt nicht den ganzen Tag Hände und liest Paragrafen. Samstags frühstückt Herr Kappelmann zwei halbe Liter und besucht seinen alten Kumpel Röber. Dann laute Musik und Pogo und Suff, einmal ist der Opa von unter mir hochgekommen, wollte sich beschweren. Der ist nur einmal gekommen. Wir machen uns warm, Dehnungsübungen für gleich, fürs Körperschach.
»Ey, Dixi«, Bonobo haut mir auf die Schulter, ich verschütte wieder ein bisschen Bier. Bonobo kriegt nicht auf die Fresse. So sind die Regeln auch. »Ey, Dixi«, Bonobo muss lachen und kann eh nicht mehr richtig geradeaus reden, »wir haben uns was überlegt für dich, therapeutischer Ansatz für dein Scheißproblem. Wie du deine Dixi-Träume wieder aus dem Kopf kriegst.« Bonobo heißt von Sonntag bis Freitag Christian Weber, leitet ein Möbelhaus mit fünfundzwanzig Angestellten. Und zweimal im Jahr organisiert er einen Free-Jazz-Abend in einer Musikkneipe, seine Freundin nennt ihn Rehlein . Er steht vor mir und findet sich witzig: »Ey, Dixi, den Typen, den wir nachher klatschen, den darfste in nem Dixi versenken.« Soll ich jetzt Danke sagen für so viel Anteilnahme? Ich stell mir Bonobo mit Brille vor und wie er Arbeitspläne macht und jungen Plattenbaupaaren Spanholzwohnzimmergarnituren verkauft. Vielleicht schon in zwei Wochen dem Bierverschütter eine Einbauküche für seine erste eigene Wohnung.
Anpfiff. Von hier kann man eh kaum was erkennen. Wir haben Anstoß, Renner verletzt, Gonzo gut drauf die letzten Spiele, ich wette eh nicht mehr, dann wird das Spiel zu wichtig und ich kann mich nicht aufs Wesentliche konzentrieren.
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