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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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Die wär so eine, dünn und hysterisch, die würde dazwischenspringen und kratzen und beißen und mit ihren spitzen Nuttenschuhen zutreten. Und Kappelmann würde sie wegwischen wie eine Mücke, um nicht gestört zu werden. Sie versteht nicht, was wir tun, worum es geht. Gewalt, Ästhetik, Klarheit. Es ist einfach so, einen sucht man sich raus und der muss mitmachen, ich hab die Regeln nicht gemacht.
    Die Kleine schreit, nur paar Meter vor uns schlägt Kappelmann auf den Russen ein, der Russe tritt und spuckt. Ein zäher Russe. Kappelmann blutet an der Lippe, er grinst mit roten Zähnen, aber er lacht nur und springt in den Russen rein, als wär er eine Abrissglocke, er hat ihn am Arsch, der Russe hat Panik, das les ich in seinen Bewegungen, der versucht nur, das Schlimmste zu verhindern. Kappelmann immer rauf, aber der Russe schreit nicht. Ein stummer Russe, nur das leise Klatschen oder ein Uff .
     
    Kappelmann ist kein Ehrenmann, nicht mit Pille im Kopf, da hört er nicht auf, wenn einer liegt. Wir schieben die Russenfreundin durch die brüllenden Ultras hinter den Busch. Sehen kann man nichts mehr, aber weil wir gleich nebenanstehen, hören wir die Geräusche von Schlägen, von Tritten, die landen, die treffen, die verdammt noch mal wehtun. Ich kann verstehen, dass sie rumkreischt. Aber ich kann nicht verstehen, dass Bonobo guckt wie ein Cockerspaniel. Der geht mir heute echt auf die Nerven.
    »Röber«, sagt er und ich hör ihn kaum, weil die Kleine wirklich durchdreht und tierisch laut ist und ich mich sowieso lieber auf den Sound der Schläge konzentriere. »Röber, Alter, ich glaub, ich bin verliebt.«
    Ich kanns nicht fassen. Ein paar Meter weiter ist einer dabei zu gewinnen, ich hörs jetzt: Die dumpfen Schläge werden regelmäßiger. Jetzt geht es um Wunden. »Na prima«, sag ich, »passt doch. Haus bauen, Baum pflanzen, Familie gründen. Bonobo in love. Rehlein und Bernstein.«
    Er sieht mich an, er schüttelt den Kopf, die Natascha ruft um Hilfe.
    »Nee, Röber, das isses ja. In ne andere! Kollegin, ne neue. Eine ganz Süße, erst neunzehn, ganz ne Liebe ist das, zart wie ne Knospe. Ich glaub, ich will das nicht mehr, mit ... dem Bernstein, weißt du, Röber, das ist ein beschissenes Gefühl. Aber ich kann das nicht: Vater sein, alt werden mit dieser Frau. Ich wollte mich verlieben, das war vorsätzlich. Wollte wer Neues sein! Verstehste? Einfach alles anders sagen und machen und sie glaubts dir, kennt dich ja nicht, muss sie ja.«
    »Alter, Bonobo, was laberst du?«
    »Scheiße, Röber, ich dachte, du verstehst mich. Du bist doch auch so. So ... frei.«
    Die Russin beißt Bonobo in die Hand. Der schreit und lässt sie los und hält sich die Hand wie ein Mädchen. Die Tatjana reißt sich auch von mir los und gräbt sich durch das Gebüsch. Und genau in diesem Augenblick kommt Kappelmann mit Blut an der Faust und im Gesicht außen um das Gebüsch rum auf uns zugelaufen. Er hält die Linke hoch, alle fünf Finger gespreizt. Fünfte Nase, gewonnen. Keine Ahnung, obs sein Blut ist oder Russenblut in seinem Gesicht. Er lacht.
    »Und?«, sag ich.
    Und Kappelmann sagt: »Geht schon. Fertig. Was läuft der auch mit nem roten Pulli in unserm Block rum.«
    Ich hör das Gewimmer der Kleinen.
    Bonobo grölt: »Ey, los, Dixi, Alter, jetzt versenkst du den beschissenen Frankfurter noch im Dixi.«
    Und er krümmt sich schon wieder vor Lachen. Ist aber gestellt, das merk ich sogar mit den ganzen Drogen im Kopf.
    »Oi, Oi, Oi.« Jetzt auch noch Kappelmann, der mich in den Arm nimmt und mich vollschmiert. Kappelmann in seinem braunen Armani-Anzug mit dem ganzen Blut, frisches und altes und sehr altes aus mindestens zwei Jahren, so lange hat er den Anzug jeden Samstag an. Scheißegal. Stört mich nicht, macht mir nichts. Wer die ganze Woche auf Dixis kacken muss, den ekelt nichts mehr.
    »Ey, Kappelmann, was machst du eigentlich sonntags?«, frage ich. Er bleibt stehen wie angewurzelt und guckt. Guckt so starr und fest in mein Gesicht, als wär ich ein bekloppter Frankfurter.
    »Dixi, Alter«, sagt er, »morgen, da entführen wir den Reinhart und erschießen ihn. Notschlachtung. Geht nicht an, dass die verschissenen Frankfurter hier gewinnen.«
    Bonobo tritt mir leicht in den Arsch und Kappelmann haut mir auf die Schulter. »Los jetzt!«, kreischt Bonobo, »versenkst den jetzt. Konfrontationstherapie!« Sie schubsen mich durch den Busch und zu dem Russenpärchen. Sie hockt neben ihm und hält seinen blutenden Kopf. Zwei

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