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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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lieber machen würde, dass mir in der Rentenzeit nicht die Ideen ausgehen werden, ganz sicher nicht. Das ist meine Philosophie: Lieber richtig scheiße und richtig gut, als so ein Brei, wie viele den haben. Mein Leben muss besonders sein, ich will Besonderes erleben. Und das Geld dafür verdiene ich am schnellsten auf Montage.
    Viele gibts, die können nichts so richtig mit sich anfangen. Und von denen gehen viele gleich kaputt, weil die das nicht wollen, weil die das nicht können. Legen sich hin und sterben weg. Ich bin nicht so einer. Wir machen jedes Wochenende was Besonderes, jedes Wochenende. Bungee-Jumping oder Hochseeangeln oder zum Wrestling. Und Sylvia ist dabei. Die hat es genau begriffen, die freut sich auf die besten Momente vom Leben, die weiß, dass ich hier für uns maloche, dass wir später zusammen durchstarten. Sylvia, die ich liebe, weil sie Röcke trägt und meistens nichts drunter und weil sie mir jeden Abend eine SMS schickt und manchmal Essen vorkocht für die Woche im Container.
     
    Der Wessi ascht in eine leere Fünfminutenterrine und erklärt, dass er Hunde züchtet, in einem Zwinger, im Wald. Pitbulls, Kampfhunde. Er sagt, er züchtet und trainiert sie und wenn sie reif sind, dann verkauft er sie. Und heute Nacht verkauft er gleich drei Tiere auf einmal, da braucht er einen zweiten Mann. Auch weil es ein neuer Kunde ist, ein Nazi, den er nicht kennt, von dem er nur gehört hat. Soll ein fairer Geschäftsmann sein, keiner, der Stress macht, sagt der Wessi, aber was soll er mir auch anderes erzählen.
    Er klopft bei mir, wenns losgeht, sagt er. Ich nicke.
     
    Alle außer mir wohnen im Container, immer zu zweit, einer rechts, einer links. Normcontainer, gelbe Schönheiten aus geriffeltem Stahlblech, zweieinhalb mal viereinhalb Meter, etwas mehr als fünf Quadratmeter pro Person. Zweihundertvierzig Tage im Jahr wohnst du in so einem Container, wenn du auf Montage bist. So gesehen ist es das Zuhause. Nur, so darfst du es nicht sehen. Im Container ist wie auf Standby.
     
    Hundertfünfzig bar Kralle, das sind anderthalb Schichten, das ist ein Wochenende, da mach ich glatt zwei Überstunden mit dem Wessi. Vor allem will ich wissen, was da läuft.
    »Nur rumstehen, Knarre in der Hand und gucken wie immer«, sagt er noch einmal, als wär ich blöd. Er gibt mir eine schwarze Bomberjacke und eine schwarze Mütze.
    »Das ist doch albern,« sage ich, aber dann ziehe ich beides einfach an. Arbeitskleidung.
    »Gehen wir jetzt los,« sagt er und wir laufen eine Weile durch den Streifen Wald, der nur ein paar Meter hinter den Containern beginnt. Ich habe keine Angst. Der Wessi stochert mit dem Strahl einer Taschenlampe in der Dunkelheit. Hinter dem Streifen Wald kommen Felder und Äcker, wir laufen auf einen Schuppen zu.
     
    Er zeigt mir die Hunde. Es sind ungefähr zwanzig, alle in kleinen Verschlägen. Junge, wütende Hunde hinter Zaun. Hässlich, kräftig, aggressiv, sie bellen und verbeißen sich im Draht, wenn man an ihnen vorbeigeht. Es stinkt wie in Wessis Container, süßlich, faulig, nach Pitbullscheiße. Der Geruch des Westens. Weiter hinten gibt es einen großen Käfig.
    »Arena«, sagt der Wessi und zwinkert. »Trainingsplatz«, sagt er dann.
    »Wie?«
    »Ich bilde die Hunde aus,« sagt er. »Die kannst du nicht einfach so in den Ring schicken. Die müssen trainiert haben, die müssen schon ein paar Kämpfe machen, sonst werden die gleich plattgemacht. Dafür hab ich Bella, fürs Training. Lernst du noch kennen.«
    Der Wessi hält mir eine Zigarette hin. Mir ist das Ganze suspekt. »In einer halben Stunde kommen die Nazis,« sagt er und gibt mir Feuer.
    Der Wessi ist ein Profi, er sieht nicht aus wie einer, aber er ist ein Profi. Ich habe ihn unterschätzt, der hat hier ein dickes Geschäft am Laufen. Eins, in dem es offenbar um richtig Geld geht.
    Am Sozialcontainer, wo wir im Sommer zusammen grillen und wo im Winter nur der Müll steht, da hieß es: Der Wessi! Der Wessi zockt und verbumst sein Geld bei Nutten, weil er immer so abgerissen aussieht, weil seine Containerhälfte wie Scheiße aussieht und weil er nach Feierabend nie da ist. Aber der Wessi hat ein Geschäft am Laufen und was für eins. Der Wessi zockt nicht, der Wessi fickt nicht, der Wessi schiebt Sonderschichten, hat nen Plan, der züchtet Hunde und hat Connections zu den Nazis. Der spart, der hat was im Sinn. Knallharter Wessi, echt.
     
    Der Wessi schaufelt nen halben Sack Trockenfutter und drei Dosen Nassfutter in einen

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