Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
Vom Netzwerk:
Eimer und dann schüttet er eine Einskommafünfliterflasche Billigenergydrink dazu und grinst und sagt: »Geheimtrick, Spezialrezeptur, Bullenzucht.« Da muss ich schnaufen und den Kopf schütteln.
    »Scheiß Klischee, Wessi, das ist doch Show, das ist doch nicht dein Ernst. Das ist doch albern.« Aber der Wessi rührt und panscht und schaufelt mit der Kelle die Pampe in die Verschläge, die Hunde drehen durch vor Glück und bellen und toben und machen einen Riesenaufstand und schlingen das Zeug gierig runter.
    »Merk dir das!«, schreit der Wessi. »Im Januar muss ich für ne Woche weg, da brauch ich jemanden, der sich um die Tiere kümmert. Kannst dir was Gutes dazuverdienen.«
     
    Ich kriege den hässlichsten Hund im ganzen Stall. Eine weiße Bulldogge, völlig vernarbt, ein zerbissenes Gesicht, Wunden, Narben, Schorf. Sie sieht aus, als hätte sie die Pocken. Der Wessi gibt mir die Leine, die eine Kette ist.
    »Bella«, sagt der Wessi und entweder hat er keinen Funken Geschmack oder er ist ein echt witziger Typ. Witzig auf so eine Wessi-Art, die ich nicht verstehe. Warum heißt Wessi eigentlich Wessi, weiß ich, wo der herkommt? Nachher ist es einfach sein Name! Florian Wessi oder Jürgen Wessels oder so, keine Ahnung, er benimmt sich jedenfalls wie einer.
    Der Hund guckt mir kurz in die Augen, ein klarer Blick. Verschlagen und schlau, sehr wach, sehr hinterhältig. Ich habe Respekt vor Bella, mehr als vor dem Wessi. Sie könnte mir auf der Stelle an den Hals springen und mich totbeißen, wenn sie wollte.
     
    »Ist geladen, vorsichtig«, sagt der Wessi und hält mir die Pistole hin. Ich nehme sie. Ich könnte Bella auf der Stelle abknallen und töten, wenn ich wollte. Oder den Wessi. Oder später den Nazi.
    »Is gesichert, trotzdem Vorsicht, klar?«, sagt der Wessi. »Mach kein Quatsch, okay? Ab jetzt ist Ernst!« Er hat wieder diese Kindergärtnerstimme und damit geht er mir echt auf die Nerven.
    »Wessi, jetzt mach hier nicht so den Dicken, klar? Ich hab dein Gelaber satt, ich bin kein Anfänger. Für wie viel vertickst du die Tiere?«
    Und dann mache ich es einfach, ich habe erst überlegt, aber jetzt mache ich es und ich sehe mich dabei wie von außen. Ich mache es wie ein richtig alter Hase: Ich kratze mich mit dem Lauf der Knarre an der Stirn. Ich weiß, dass sie gesichert ist und der Wessi weiß es auch, trotzdem: Das hat gesessen, das kommt einfach gut. Und ich lache und der Wessi lacht auch.
    Wir laden die Hunde in den rostigen Lada, da ist kaum Platz, nicht grad ein Transporter, aber das geht schon, ist nicht weit zum Treffpunkt. Dort steigen wir aus und warten, wir rauchen und endlich mal labert der Wessi nicht, jetzt hat er bestimmt die Hosen voll.
     
    Die Hunde versuchen zu bellen, als die zwei Wagen auf uns zurollen. Der Nazi hat zwei Leute dabei. Wir sind in der Unterzahl. Aber wir haben die Hunde, auch wenn sie Maulkörbe tragen. Zur Begrüßung kratze ich mir mit der Pistole am Kopf und merke im selben Moment, dass es eher peinlich war. Der Nazi guckt kurz und sein Mundwinkel zuckt. Aber sonst macht er keinen Stress. Er steht da, guckt wie ein General, ist auf eine sehr ähnliche Art hässlich wie die Pitbulls, die er kauft. Er gibt dem Wessi einen Umschlag, der sieht kurz rein und sie reden kaum und wenn, dann ist es ein konzentriertes Flüstern, wie echte Profis. Der Nazi ist ein Profi, der Wessi, wie er hier steht, in seinen lächerlichen Joggingschuhen, sieht echt nicht so aus, aber er benimmt sich, als wäre er auch einer.
    Sie geben sich die Hand, der Nazi und der Wessi, und der Wessi gibt den Leuten vom Nazi die Hunde und sie versuchen, die Hunde in den Wagen zu bringen. Sie haben Schiss vor diesen Hundemaschinen, das sieht man, es sind ängstliche Nazis. Die Tiere knurren aber auch echt fies, bellen können sie nicht so richtig mit ihren zugeschnürten Schnauzen. Der Wessi hält dem Obernazi Zigaretten hin, aber der lehnt ab, er hat dünne schwarze Lederhandschuhe und damit streicht er durch seine hart geschnittene blonde Nazifrisur. Dann klappen seine Leute die Kofferräume zu, steigen ein. Der General nickt noch einmal und sie brausen weg. Deal gelaufen. Ich musste gar nichts machen. Es ist, wie es ist: Der Wessi wollte einfach jemanden dabeihaben, der Wessi braucht Gesellschaft, das ist alles.
     
    »Willst du wissen, was das Geheimnis ist?«, fragt er, kaum dass wir in seinem klapprigen Wagen sitzen.
    Er muss jemandem davon erzählen, der Wessi muss ständig reden, er schafft es

Weitere Kostenlose Bücher