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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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Weg durch den Garten, vorbei am Misthaufen über die Felder, auf denen die Jungtiere stehen, und weiter, bis an den Rand des Moors. Gut, dass Marta mich mitgenommen hat, denke ich, besser Marta als niemand. Ich stehe auf dem weichen Boden und rieche den süßen Duft. Dann hole ich aus und werfe die Box, so weit ich kann.

Wessi
    Ich bin nicht gerne beim Wessi. Es riecht komisch bei ihm. Der Geruch erinnert mich an Verwesung, an tote Tiere, an Vogelleichen am Straßenrand im Sommer. Dabei ist Winter. Zehnter Zwölfter. In zwei Wochen ist Heiligabend. Davon merkt man hier draußen wenig. Wenn du im Kaufland bist, dann ja: dann Schokoladenweihnachtsmänner, dann Stollen, dann Glühwein, dann alles rot und grün und Klingelingeling. Aber hier draußen? Nur das Rauschen der Autobahn, nur das Kreischen des Trennscheibenschneiders und natürlich das Fernsehprogramm. Das ist das Einzige, was wie zu Hause ist. Im Fernsehen ist natürlich auch Weihnachten.
     
    Ich habe meinen eigenen Wohnwagen. Ich bin seit sechs Jahren auf Montage. Bei den Preisen für die schäbigen Wohncontainer hast du nen Wagen nach vier Jahren wieder raus. Für die Container zahlst du nämlich auch. Sechs Euro fünfzig am Tag. Du kannst aber auch mit deinem eigenen Wagen kommen, wenn du einen hast. Hast mehr Platz, mehr Ruhe. Nicht das ständige Husten durch die dünne Blechwand, nicht das unruhige Schlurfen, nicht die Gerüche, nicht den Müll.
     
    Ich stehe in der Küchenecke vom Wessi, wir rauchen. Von der Spüle bis fast zur Decke stapeln sich leere Fünfminutenterrinen. Ich bin nicht gerne hier, aber der Wessi sagt, er habe einen Job für mich. Er grinst mich an: »Ich werde Ihnen ein Angebot machen, das Sie nicht ausschlagen können.«
    »Na, dann lass hören, Wessi, und mach hier nicht son Aufriss«, sage ich, »da hab ich jetzt echt keinen Bock drauf, ich bin im Arsch, ich will ins Bett!« Ich mag den Wessi nicht besonders, er ist ein linker Typ. Außerdem, wenn du hier draußen bist, dann willst du gar keine Freunde, da willst du für dich sein.
    Straßenbau ist Eremitensache. Der Tag muss nicht noch länger werden. Das Leben im Container muss man rumbringen. Das ist alles: aushalten, durchhalten. Es geht darum, die Zeit zwischen Montagmorgen und Freitagnachmittag so eintönig wie möglich zu machen, dann wird sie unspürbar und geht vorbei. Leben tust du am Wochenende oder in den Ferien. Deshalb fliegen wir dieses Jahr Weihnachten nach Amerika. Mein Weihnachtsgeschenk. Sylvia und ich, zwei Wochen. Dafür steh ich jetzt hier und hör mir das Gelaber vom Wessi an, vielleicht kann ich die Urlaubskasse noch ein bisschen füllen. Aber ich fürchte, er tut wieder geheimnisvoll und will eigentlich nur Gesellschaft.
    Ich spar alle Kräfte für zu Hause, für Sylvia. Noch neun Tage Arbeit, dann gehts direkt zum Flughafen und rüber nach New York.
    Der Wessi hält mir ein Bier hin. Ich habe eigentlich keine Lust, hier zu stehen und Bier mit ihm zu trinken, aber ein Bier ist ein Bier und geschenkt ist geschenkt, also nehme ich es. Ich soll mich setzen.
    »Wir machen hier jetzt nicht wieder so ne Endlos-Laber-Nummer draus, Wessi, alles klar? Ich hab nämlich echt nicht viel Zeit.«
    Er setzt sich und grinst und schüttelt den Kopf und sagt: »Ruhig, Brauner.« Das ist bemerkenswert, er ist wirklich der Einzige, der bisher auf dieses Wortspiel gekommen ist. Er sagt es dauernd, als wenn ich sein Pferd wäre oder besonders nervös. »Hör mal zu, Ändi«, sagt der Wessi, als wären wir Kumpels.
    Ich sage: »An-dre-as.«
    Und er nickt und hebt den Kopf und hat plötzlich die Stimme eines Kindergärtners: »Herr Brauner, ich brauche Ihre Hilfe und für Sie sind dabei drei Braune drin.« Der Wessi lacht über seinen kleinen Witz. »Für zwei Stunden Arbeit. Heute Nacht.«
    Er verzieht demonstrativ keine Miene, um mir zu zeigen, wie ernst er es meint.
    »Was muss ich machen?«
    »Rumstehen, Soldat spielen.«
    »Soldat spielen?«
    »Ja, Hund an der Leine, Pistole in der Hand und gucken, wie du immer guckst.«
    »Kann ich.«
    »Weiß ich, deshalb frag ich dich.«
    »Illegal?«
    Da lacht der Wessi wieder und guckt mich an, mit einem tatsächlich charmanten Blick: »Was, glaubst du, mach ich nachts im Wald mit Soldaten? Back ich Plätzchen, weil Weihnachten ist?«
     
    Gibt Leute, die haben Scheißangst vor der Rente. Die wissen nichts zu tun, dann. Davor haben die Angst, vor der Langeweile. Das ist mein Vorteil, ich hab so viel Zeit, mir vorzustellen, was ich

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