Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
Schwiegersohn halten«, seufzte Olaf. Er hatte das lange Schweigen von Seifferheld völlig fehlinterpretiert, nämlich als Missbilligung seiner Person – als Schwiegersohn, als Mensch, womöglich gar als Masseur. Jeder hört aus dem Schweigen eines anderen das heraus, was er hören will.
Seifferheld wollte Olafs Ängste zerstreuen, vielleicht sogar einflechten, dass in modernen Ehen jeder Partner seinen Nachnamen beibehalten sollte. Er räusperte sich. Kam aber nicht zu Wort.
Die Küchentür ging auf.
»Was ist denn hier los?«, begrüßte sie eine Frauenstimme. Genauer gesagt die Stimme einer Frau, die einen untrüglichen Radar für Momente hatte, in denen man sie – sosehr man sie sonst auch liebte – eigentlich nicht gebrauchen konnte.
Die Stimme von Marianne. Sie klang empört. »Siggi, ich glaub’s nicht, isst du da etwa Fleisch?«
Irmgard Seifferheld-Hölderlein lächelte fein.
7. Szene
(früher Dienstagmorgen, Nebel wie aus der Nebelmaschine)
Aus dem Polizeibericht
Unbekannte haben in der Nacht auf Dienstag in der Innenstadt mehrere Straßenschilder mit selbstgefertigten Plakaten überklebt, auf denen mit rotem Filzstift »Busse müssen zu den Menschen kommen, nicht Menschen zu den Bussen« zu lesen war. Die Polizei ging zunächst davon aus, dass keine Sachbeschädigung vorliege und sich der Kleber problemlos ablösen ließe. Das war nicht der Fall. Die Stadt Schwäbisch Hall hat nun Strafanzeige gegen unbekannt wegen Sachbeschädigung erstattet. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.
Dem Mittelalter haben wir die beiden schlimmsten Erfindungen der Menschheit zu verdanken: Schießpulver und die romantische Liebe. (André Maurois)
Außer den orangefarbenen Müllmännern und Seifferheld samt Onis war an diesem sehr frühen Dienstagmorgen niemand unterwegs.
Herr und Hund waren früher als sonst aus dem Haus gegangen, so früh sogar, dass Onis ganz entgegen seinem sonstigen Verhalten nicht mit erhobenem Schwanz vorauslief, sondern, noch leicht zerknautscht aussehend, drei Schritte hinter Seifferheld hertrottete, wie eine gute Ehefrau aus der ersten türkischen Gastarbeitergeneration hinter ihrem Mann.
Und wieder ging es nicht in den Stadtpark, sondern in Richtung Theaterwohnheim am Rippberg.
Die Morgennebel waberten über dem Kocher.
Seifferheld schritt zügig aus.
Ermittlungsarbeit, das war früher, in seiner aktiven Zeit, das verdammt öde Sammeln von Fakten gewesen, endloser Papierkram, immer mit der Angst im Nacken, Spuren zu kontaminieren oder so zu erfassen, dass sie vor Gericht keine Gültigkeit mehr hatten. Das alles konnte ihm jetzt egal sein. Wenn ihn die Nase juckte, und das tat sie immer, sobald er eine Fährte aufgenommen hatte, konnte er tun und lassen, wozu er lustig war.
Und jetzt gerade wollte er sich rund um das Wohnheim noch einmal umschauen. Völlig ohne Durchsuchungsbefehl.
Onis und er kamen in dem Moment an, als von fern die wuchtigen Glocken von St. Michael zum Vaterunsergeläut um halb sieben einsetzten. Der Wind stand günstig, er hörte die Glocken zwar sehr viel leiser als in der Unteren Herrngasse, aber immer noch voll und klar.
Seifferheld ging davon aus, dass Schauspieler allesamt Nachtmenschen waren. Sie würden um diese Uhrzeit noch schlafen. Er würde freie Bahn haben.
Festen Schrittes bog Seifferheld auf den Hof des Wohnheimes.
Und stand Biggi Wanetzki gegenüber.
Sie sah, ehrlich gesagt, scheiße aus: dunkle Augenringe, fahle Haut, leerer Blick. Im Grunde hatte sie keine Ähnlichkeit mehr mit der frischen jungen Frau vom Vortag.
»Guten Morgen«, sagte Seifferheld und tat so, als sei es das Natürlichste von der Welt, zu quasi noch nachtschlafender Zeit einen Besuch abzustatten.
Biggi fiel es sichtlich schwer, ihn einzuordnen. Sie erinnerte sich offenbar nicht an ihn.
Onis lief zu Biggi, zog seine Schleck-die-Hand-gnädige-Frau-Nummer durch und ließ sich von ihr streicheln.
Biggi sagte nichts. Mit fahrigen Bewegungen zerzauste sie das Fell des Hovawarts. Dem Hund war das egal. Seinem Herrchen nicht.
»Wollen wir uns nicht dort auf die Mauer setzen?«, fragte Seifferheld, nahm die junge Frau am Ellbogen und führte sie sacht hinüber.
Das war wohl alles zu viel für sie. Plötzlich die Hauptrolle spielen zu müssen. Und war die Truppe gestern nicht irgendwo im Badischen aufgetreten? Bestimmt waren sie nach Mitternacht zurückgekommen. Die Kleine sollte eigentlich noch schlafen. Aber der Druck machte ihr offenbar schwer zu schaffen.
Sie
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