Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
Tonspur fand ihren Weg zu Facebook und in alle relevanten Redaktionen, von der Südwestpresse bis zur Süddeutschen. Sogar ein Boulevardmagazin im Fernsehen berichtete darüber. Wenn auch aus anderen Gründen, als man in diesem Moment denken würde.
»Meine Frau hat hinterrücks meine Geliebte gemeuchelt! Warum sie, warum nicht mich?«
Jetzt brach Euler völlig zusammen. Er legte beide Arme auf den Studiotisch und schluchzte jämmerlich.
Seifferheld rief: »Wie schön, dass in einem so schweren Moment das Sticken helfen kann!« Was für eine alberne Plattitüde! Seifferheld schämte sich ein wenig dafür.
Euler schluchzte noch lauter. Das Sticken war dann wohl doch eher eine langfristige Hilfsmaßnahme, die kurzfristig keine Tränen trocknete.
Seifferheld stand auf, ging um den Tisch zu Euler und klopfte ihm männlich mitfühlend auf die Schulter. »Na, na, wird schon alles gut werden.«
Euler hickste. »Das glaub ich nicht«, schmollte er.
Solange er noch schmollen konnte, waren Hopfen und Malz noch nicht verloren. Apropos … Seifferheld holte eine Flasche Bier aus dem Studiokühlschrank. »Hier, trinken Sie was.«
Man(n) kann nicht gleichzeitig trinken und heulen. Euler verstummte, zu hören war nur noch das Glucksen seiner gierigen Schlucke.
Und dann hörten geschätzte fünfundvierzigtausend Hörer und Hörerinnen im gesamten Sendegebiet jemanden, den das Elend dieser Welt im Allgemeinen und das Elend von Erwin Euler im Besonderen nicht unberührt ließ, einen, der die Qual seiner Mitkreaturen in ergreifende, berührende, erschütternde Weisen zu verwandeln mochte, einen Sänger, der zum Trost der Gequälten und Gebeutelten alles gab, was er hatte, und noch viel mehr: den Hovawart-Rüden Onis.
Die Hundeschnauze zur schallisolierten Studiodecke erhoben, holte Onis tief Luft und heulte sich gleich darauf alles aus dem Leib, was er zu heulen hatte. Und das war viel. Und laut. Und atonal. Aber eben mit Gefühl. So viel Gefühl. Mit Legato, Appoggiaturen und Portamenti und einer virtuosen Ausschmückung durch Koloraturen und Fiorituren. Quasi italienischer Belcanto in Reinform, nur aus einer deutschen Hundekehle.
Onis, der Heuler.
A star was born!
Nachspiel
(Trausaal im Rathaus, Susanne Seifferheld ganz in Weiß, Olaf Schmüller im weißen Smoking, Karina Seifferheld im kleinen Schwarzen, Fela knipst, Marianne und Irmi verdrücken je eine Träne, Olga wirft Rosenblätter, Tenor Sunil Gupta singt Nessun Dorma, Helmerich trommelt lautlos auf seinen Knien mit – da vibriert ein Handy.)
Was ist der Unterschied zwischen Madonna und einem Rottweiler? Lippenstift.
»Hier Siegfried Seifferheld.«
»Herr Seifferheld, schön, dass ich Sie gleich erreiche! Hier Kilian von Krottwitz. Sie erinnern sich? Natürlich erinnern Sie sich: SWR Fernsehen … Landesschau! «
»Guten Tag, Herr …«
»… hören Sie, ich habe Ihre Sendung mit diesem Euler mitverfolgt …«
»Eine ganz untypische Sendung … sonst geht es wirklich mehr ums Sticken, aber …«
»… ja, ja … wie auch immer … ich habe mir das mit Ihrem Auftritt in der Landesschau noch einmal überlegt. Sie haben da doch etwas zu bieten, was unser Publikum interessieren könnte …«
»Ich kann immer noch nicht jodeln …«
»Schon klar, kein Thema, es geht auch nicht wirklich um Sie … ich habe schon mit dem Tontechniker aus dem Studio in Schwäbisch Hall gesprochen …«
»Ich könnte beispielhafte Stickarbeiten mitbringen: Leda und der Schwan, tanzende Elfen …«
»Grundgütiger, bloß nicht! Nein, nein, wie gesagt, es geht nicht wirklich um Sie … Sie sollen nur Ihren Hund mitbringen … das war doch Ihr Hund, der da gesungen hat?«
»Äh … wie bitte?«
»Der Hund?«
»Onis?«
»Genau, Onis. Hunde kommen bei den Zuschauern immer ganz großartig an. Es gibt natürlich auch eine Aufwandsentschädigung. Und ein Vertreter vom Tierschutz wird anwesend sein, damit alles seine Ordnung hat. Was halten Sie davon?«
»Wovon?«
»Hören Sie mir überhaupt zu, Herr Seifferheld? Ihr Hund Onis … ich will Onis ins Fernsehen bringen … Onis, der singende Hovawart! Ich verspreche Ihnen, das wird der Brüller!«
Danksagung
Mein Dank gilt Stephan Szasz, der mir Emmanuel Bove zur Lektüre empfohlen hat. Zu seiner Rechtfertigung sei gesagt, dass er nicht ahnen konnte, wohin seine Empfehlung führen würde.
Meinem phantastischen Schweizer Kollegen Sunil Mann danke ich für das freundliche Überlassen seines Vornamens, auch wenn er mit dem
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