Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
Seins strömte sie die Aura einer Entscheidungsträgerin und Führungspersönlichkeit aus. Sie arbeitete nicht nur für das höhere Management der Bausparkasse Schwäbisch Hall, sie war die Bausparkasse!
Ihr auf den Fersen folgte ihr Lebensabschnittsgefährte Olaf Schmüller, wie üblich in ausgewaschenen Jeans, die langen Haare locker zum Pferdeschwanz gebunden, Jesuslatschen an den Füßen und um die Handgelenke Freundschaftsarmbänder en masse.
Olaf war damals als mobiler Masseur ins Haus gekommen, um Seifferheld nach der Schießerei in der Bank die nötige Physiotherapie angedeihen zu lassen. Wie aus dem Hippie Schmüller und seiner ehrgeizigen Managertochter ein Paar hatte werden können, würde Seifferheld auf ewig ein Rätsel bleiben. Ein Paar mit Kind. Klein Ola-Sanne steckte in einem bunten Babytragetuch von Dolce & Gabbana, das Olaf sich umgewickelt hatte, und sah mit wachen Äuglein in die Welt. Das war der Kompromiss, den seine Tochter und ihr Lebensgefährte eingegangen waren: Susanne suchte die Designerteile rund ums Kind aus, und Olaf erledigte den Rest wie Windelwechseln, Füttern und eben Herumtragen.
Opa Seifferheld lupfte seine Enkelin aus dem Tragetuch und hinkte mit ihr in die Küche.
»Ich habe nicht viel Zeit«, erklärte Susanne, die mittags eigentlich nie Pause machte und wenn doch, dann immer in der enorm leckeren Bausparkassenkantine, meist mit einer aufgeschlagenen Akte neben dem Teller.
»Der Braten reicht für alle«, verkündete Irmgard und holte zwei weitere Teller.
»Ich bin Vegetarier«, erklärte Olaf zum einmillionsten Mal, aber das prallte an Irmi ab. Vegetarier, so ein Quatsch – Pflanzen waren schließlich auch Lebewesen, und ob man nun Flora oder Fauna aß, war ja wohl egal. Männer brauchten Kraft. Sie mussten Fleisch essen!
Demonstrativ säbelte sie ihm ein besonders großes Stück Braten ab.
Susanne ignorierte das. Olaf sollte seine Kämpfe allein ausfechten.
Sie setzte sich ihrem Vater gegenüber und faltete die manikürten Hände auf dem Tisch. »Ich wollte es dir so schnell wie möglich persönlich sagen, Papa. Wir haben es heute Morgen nach dem Aufwachen beschlossen. Olaf und ich werden heiraten.« So, wie sie es verkündete, fehlte noch der Zusatz Keine Widerrede.
»Wird ja auch Zeit«, meinte Irmi, die als Pfarrersfrau die Ansicht zu vertreten hatte, dass uneheliche Verbindungen nicht das Gelbe vom Ei waren.
Seifferheld sagte erst mal nichts. Er schaukelte seine Enkelin auf dem Schoß.
Die Tatsache, dass seine Tochter seinen ehemaligen Physiotherapeuten ehelichen wollte, einen sehr viel kleineren, sehr viel jüngeren Mann mit derzeit keinerlei Einnahmen, war ihm eigentlich egal. Er war ja schon froh, dass sie überhaupt in den Hafen der Ehe einzulaufen gedachte. Menschen waren nun mal nicht als Einzelexemplare gedacht. Und Susanne hätte gut und gern zehn Olafe aushalten können, bei ihrem Gehalt.
Ihn plagte jedoch die Sorge, dass der Name Seifferheld aussterben könnte. Würde seine Susanne den Nachnamen von Olaf annehmen und fortan Schmüller heißen? Wollte sie all ihre Kinder zu Schmüllers machen? Schmüller, ernsthaft?
Aber seine Befürchtungen wollte er nicht aussprechen. Er kam sich wie ein versteinerter Dinosaurier vor, weil er das auch nur dachte. Namen waren doch Schall und Rauch.
»Wir heiraten gleich nächste Woche. Wegen einer Absage wurde ein Termin frei. Erst standesamtlich im Rathaus und dann rüber in die Michelskirche. Nur im kleinsten Kreis«, kündigte Susanne an, säbelte sich ein Stück Braten ab und gabelte es sich in den Mund.
Irmi besaß trotz ihres Generalissimo-Verhaltens ein großes Herz voller Liebe, aber nicht das Talent fürs Kochen. Ihren Braten hätte man gut und gern auch als Abrissbirne verwenden können.
Susanne spuckte den bockelharten Bratenbissen folglich wieder aus.
Seifferheld und seine – noch echten – Zähne hatten sich in all den Jahren, in denen seine Schwester sich um den Haushalt gekümmert hatte, an Kummer gewöhnt. Das Geheimnis bestand in dem viel beschworenen Trick, jeden Bissen vierzigmal zu kauen. Und was wirklich nicht klein zu kauen war, bekam in einem unbeobachteten Moment der Hund, dem graute es vor nichts, Hauptsache Fleisch. Onis saß bereits in Habtachtstellung schwanzwedelnd neben dem Tisch.
»Ich freue mich sehr für euch, Kinder«, sagte Seifferheld zu guter Letzt und meinte es auch so.
»Da bin ich aber froh, ich fürchtete schon, Sie könnten mich nicht für einen geeigneten
Weitere Kostenlose Bücher