Gestohlene Leidenschaft
deren Existenz bisher völlig unbekannt gewesen war. Sicher, es waren immer mal wieder Gerüchte im Umlauf gewesen, aber …„Sollte es sich bei diesen Bildern tatsächlich um Originale handeln, dann wäre das für die Kunstwelt ein absoluter Jahrhundertfund.“
Khalis seufzte tief. Sehr erfreut klang das nicht. „Das habe ich befürchtet“, sagte er und knipste das Licht aus. „Eine genaue Analyse können Sie später durchführen. Ich finde, wir haben uns jetzt erst mal eine kleine Stärkung verdient.“
Grace stand noch völlig unter dem Einfluss der soeben gemachten Entdeckung und hatte kaum zugehört. „Eine Stärkung?“, fragte sie daher verständnislos.
„Mit anderen Worten: Abendessen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Ms Turner, aber ich bin halb verhungert.“
3. KAPITEL
Geistesabwesend ging Grace in dem luxuriösen Gästezimmer hin und her, in das Eric sie geführt hatte. Sie stand noch völlig unter dem Eindruck der Entdeckung, die sie im Tresorraum gemacht hatte. Zu gern hätte sie mit Michel darüber gesprochen, doch ihr Handy hatte auf dieser einsamen Insel keinen Empfang. Vermutlich hatte Balkri Tannous dafür gesorgt, dass seinen Gästen der Kontakt zur Außenwelt verwehrt blieb. Und was war mit Khalis?
Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie wenig sie über den Konzernerben wusste. Michel hatte sie lediglich mit den wichtigsten Informationen versorgt: Khalis war der jüngere Sohn von Balkri Tannous, hatte in Cambridge studiert, seiner Familie im Alter von einundzwanzig Jahren den Rücken gekehrt und hatte es in Kalifornien zu eigenem Vermögen gebracht. Das war’s.
Darüber hinaus wusste sie nur, dass er blendend aussah, eine charismatische Ausstrahlung hatte und selbstbewusst, fast arrogant war. In seiner Nähe klopfte ihr Herz schneller, sein Duft, seine Körperwärme machten sie schwindlig. Und Khalis brachte sie zum Lachen.
Schnell verscheuchte Grace diese viel zu intimen Gedanken. Sie durfte nicht einmal davon träumen, seiner Anziehungskraft zu erliegen. Selbst wenn sie sich noch so sehr danach sehnte. Ihr Verstand würde es niemals zulassen.
Niemals!
Sie atmete tief durch, um ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen und überlegte, ob sie Khalis vertrauen konnte. Es war schwer einzuschätzen, ob er sich von der Milliardenerbschaft korrumpieren lassen würde oder machthungrig war. Was hatte er mit den Gemälden vor? Würde er sie meistbietend versteigern lassen und noch mehr Reichtum anhäufen?
Grace hatte mit eigenen Augen ansehen müssen, wie Reichtum und Macht einen Mann völlig verändert hatten. Nach außen hin charmant – und Khalis war sehr charmant –, in Wirklichkeit jedoch egoistisch und grausam. Würde Khalis auch so werden? So wie ihr Exmann?
Erschrocken stellte sie fest, dass sie in einem Atemzug an Khalis und ihren Exmann gedacht hatte. Khalis war ihr Kunde, sonst nichts. Ein Kunde mit Kunstwerken, die ein Vermögen wert waren.
Sie versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht von Gefühlen, Erinnerungen und Ängsten beeinflussen zu lassen. Schließlich war dies weder dieselbe Insel noch derselbe Mann. Außerdem hatte sie inzwischen gelernt, sich zu wehren. Sie war stärker, härter, abgeklärter. Und es lag ihr fern, sich je wieder auf einen Mann einzulassen.
Entschlossen setzte sie sich an einen Tisch und machte sich Notizen. Khalis war ein Kunde wie jeder andere. Es spielte keine Rolle, dass er bei ihrer ersten Begegnung nur eine Badehose getragen hatte. Natürlich hatte sie seinen gut gebauten Körper bewundert. Schließlich war sie eine Frau. Doch es spielte keine Rolle. Es war auch egal, dass er sie zum Lachen brachte. Ihr war richtig leicht ums Herz geworden. Das hätte sie niemals für möglich gehalten. Und was ging es sie an, ob er wie sein Vater oder ihr Exmann werden würde: korrupt und grausam.
Ich bin zum Arbeiten hier, dachte Grace energisch, alles andere ist zweitrangig. In wenigen Tagen würde sie diese ‚Gefängnisinsel‘ mitsamt ihrem neuen Eigentümer wieder verlassen.
Grace Turner. Gedankenverloren starrte Khalis auf die weiße Visitenkarte, auf der nur Graces Qualifikationen, der Firmenname und die Telefonnummer aufgeführt waren. Selbstvergessen spielte er mit der kleinen Karte und hätte fast daran geschnuppert, um vielleicht Graces Duft einzuatmen.
Grace Turner faszinierte ihn. Zuerst war ihm natürlich ihre außergewöhnliche Schönheit aufgefallen. Vielleicht etwas unkonventionell mit dem honigblonden Haar
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