Gestohlene Stunden des Glücks (Julia) (German Edition)
Sie konnte ihrem Sohn nicht die Familie bieten, die sie sich für ihn gewünscht hätte, also hatte sie für eine Ersatzfamilie gesorgt. Er würde nie so einsam sein, wie sie es als Kind gewesen war. Er würde immer Menschen um sich haben, die für ihn da waren. Ihn in den Arm nahmen, wenn das Leben hart zu ihm war.
„Liebe“, schnaubte ihr Großvater verächtlich. „Du machst ein Mädchen aus ihm. Das kommt davon, wenn ein Junge ohne Vater aufwächst.“
Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für ihr Geständnis gewesen, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Es gibt auch Männer in seinem Leben“, erwiderte sie matt.
„Falls du den jungen Kerl meinst, der für dich arbeitet, da kann ich nur lachen. Ich habe mehr Testosteron in meinem kleinen Finger als dieser Ben im ganzen Körper. Luca braucht einen richtigen Mann als Vorbild.“
„Ich fürchte, in der Frage, was einen richtigen Mann ausmacht, gehen unsere Vorstellungen weit auseinander.“
Der alte Mann ließ die Schultern sacken. Tiefe Furchen hatten sich in seine Stirn eingegraben. Er schien in den letzten Monaten um Jahre gealtert zu sein. „Das ist nicht das Leben, das ich für dich gewollt habe.“
„Im Leben läuft nicht immer alles nach Plan, nonno . Schenkt das Leben dir Oliven, mach Olivenöl daraus.“
„Das tust du ja nicht! Du gibst die Oliven den Nachbarn, damit sie Öl daraus machen.“
„Das ich dann in meiner Küche verwende, ganz recht. Eine Küche, über die inzwischen ganz Sizilien spricht. Letzte Woche standen wir sogar in der Zeitung.“ Auch wenn die jüngsten Ereignisse ihre Freude über diesen Erfolg erheblich dämpften. „Und in einem beliebten Reiseblog wurden wir unter der Überschrift Sizilianische Geheimtipps erwähnt. Ich komme voran, Großvater. Ich leiste gute Arbeit.“
„Arbeit ist etwas für Frauen, die noch keinen Ehemann gefunden haben.“
„Sag das nicht. Ich will nicht, dass Luca mit solchen Ansichten aufwächst.“
„Wie viele Männer wollten schon mit dir ausgehen! Helle, dunkle, große, kleine, und du sagst immer Nein. Seit Lucas Vater kommt keiner mehr an dich heran.“
„Wenn ich einen treffe, der mich interessiert, sage ich Ja.“ Doch sie wusste, dass das nicht passieren würde. Für sie gab es nur einen Mann, und der schien eine Mordswut auf sie zu haben. Und, schlimmer noch, sie für eine schlechte Mutter zu halten.
Als sie sah, wie ihr Großvater sich geistesabwesend die Brust massierte, legte sie besorgt die Hand auf seine, doch er schüttelte sie ab. Sie versuchte, nicht verletzt zu sein. Er war eben kein Schmusetyp. Weder sie noch Luca hatte er je umarmt.
„Was ist?“, fragte sie. „Hast du wieder Schmerzen?“
„Lass das Theater.“ Er musterte sie so durchdringend, dass sie ganz nervös wurde. „Du hattest nicht vor, es mir zu sagen, oder?“
Vor Schreck fiel ihr fast die Flasche aus der Hand.
„Was denn?“ Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust.
„Er war hier. Santo Ferrara.“ Er sprach den Namen aus, als hinterließe er einen schlechten Geschmack auf seiner Zunge.
„Nonno …“
„Ich weiß, ich soll nicht über ihn sprechen. Aber wenn ein Ferrara mein Land betritt, darf ich mich ja wohl dazu äußern. Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
„Weil ich wusste, wie du reagieren würdest.“
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich habe diesem Jungen verboten, jemals wieder einen Fuß auf mein Grundstück zu setzen.“
Fia sah Santos breite Schultern vor sich, sein kantiges, von einem dunklen Bartschatten bedecktes Kinn. „Er ist kein Junge, er ist ein Mann.“ Ein schwerreicher noch dazu, Chef eines internationalen Konzerns. Der die Macht hatte, ihr Leben von einem auf den anderen Tag völlig umzukrempeln. Und losgezogen war, um mit seinen Anwälten über die Zukunft ihres Sohnes zu entscheiden.
Ihres gemeinsamen Sohnes.
Himmel!
Die Augen ihres Großvaters blitzten vor Zorn. „Dieser Mann ist in mein Haus eingedrungen, in mein Haus! Ohne jeden Respekt vor meinen Gefühlen. Und er hat nicht mal den Mumm, mir persönlich unter die Augen zu treten.“
„Bitte beruhige dich, nonno .“ Wenn er jetzt schon so außer sich war, wie würde er dann erst reagieren, wenn er die Wahrheit erfuhr? Alles fing wieder von vorne an, nur diesmal würde Luca im Kreuzfeuer stehen. „Ich habe ihn nicht zu dir gelassen, weil ich wusste, wie sehr du dich darüber aufregen würdest.“
„Natürlich rege ich mich auf. Du weißt, warum.“ Das Gesicht des alten Mannes
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