Gestohlene Stunden des Glücks (Julia) (German Edition)
von einer schlaflosen Nacht.
Quer durch den Raum trafen sich ihre Blicke, und wieder sprühten die Funken.
Sie waren ein Liebespaar gewesen. Sie waren einander so nahe gekommen, wie ein Mann und eine Frau sich nur kommen konnten. Doch im Grunde waren sie einander fremd. Alles, was sie miteinander verband, waren ein paar Zufallsbegegnungen und eine gestohlene Liebesnacht, eine flüchtige Kostprobe verbotener Genüsse.
Nichts, was ihnen in dieser heiklen Lage helfen konnte.
„Wo ist mein Sohn?“, fragte er schroff.
„Zu Hause in seinem Bett. Gina ist da, und mein Großvater.“
Bitterer Zorn durchfuhr ihn. „Und das soll mich beruhigen?“
„Er liebt Luca.“
„Dann haben wir sehr unterschiedliche Auffassungen davon, was Liebe bedeutet.“
„Nein, haben wir nicht.“
Er presste die Lippen zusammen. „Wird er ihn immer noch lieben, wenn er erfährt, wer sein Vater ist? Ich schätze, wir beide kennen die Antwort.“ Er erhob sich, sah, wie ihre Hand zur Türklinke glitt, und sagte warnend: „Wenn du jetzt gehst, setzen wir dieses Gespräch in aller Öffentlichkeit fort. Willst du das?“
„Ich will, dass du dich beruhigst und die Sache vernünftig betrachtest.“
„Ich bin sogar sehr vernünftig, tesoro . Ich sehe absolut klar, seit ich meinen Sohn zu Gesicht bekommen habe.“
„Was willst du denn hören? Dass es mir leid tut? Dass ich einen Fehler gemacht habe?“ Ihre leise, rauchige Stimme lenkte seinen Blick auf ihren Mund. Er hatte nur eine einzige Nacht mit ihr verbracht, doch er hatte sie nie vergessen. Er wusste, wie sie schmeckte, wie sie sich anfühlte. Ihre zarte Haut, ihr seidiges Haar, das ihr jetzt offen über Rücken und Schultern fiel und wie Feuer in der Morgensonne leuchtete.
Er erinnerte sich, wie ihr Vater ihr das prachtvolle Haar einmal in einem Anfall von Baracchi-Jähzorn mit dem Küchenmesser abgesäbelt hatte. Er war zufällig vorbeigekommen und hatte entsetzt versucht, einzugreifen, doch das hatte alles nur noch schlimmer gemacht.
Fia hatte keine Miene verzogen, während eine Locke nach der anderen in ihren Schoß fiel. Anschließend hatte sie sich im Bootshaus verkrochen. Ihre zornsprühenden Augen hatten ihn gewarnt, kein Wort über die Sache zu verlieren. Was er auch nicht getan hatte. Ihre Bekanntschaft ging nicht über stumme Blicke hinaus.
Im Bootshaus war es auch gewesen, wo sie ihre Bekanntschaft so unerwartet vertieft hatten. In jener Nacht, als ihr Bruder starb.
Mühsam unterdrückte er jetzt den Impuls, sie mit dem Rücken an die Tür zu drücken und die Antworten aus ihr herauszupressen. „Wann hast du gemerkt, dass du schwanger bist?“
„Was spielt das für eine Rolle?“
„Antworte.“
Müde schloss sie die Augen. „Ich weiß es nicht mehr genau. Ziemlich spät. Damals ging alles drunter und drüber. Das Krankenhaus, die Beerdigung …“ Sie unterbrach sich, atmete tief durch. „Es war alles so furchtbar. Ich kam gar nicht dazu, an mich selbst zu denken.“
Ja, es war eine Katastrophe gewesen. Auch für ihn. Ein grauenhafter Mix aus Vorwürfen, Schuldgefühlen, Reue und wild aufbrausenden Gefühlen. Das verzweifelte Ringen um ein Leben, das bereits verloren war.
Ihr Zusammensein war ein flüchtiger Moment intimer Nähe gewesen, der unterging in der Flut von negativer Berichterstattung und übler Nachrede, die auf den Tod ihres Bruders folgte.
„Also, wann wurde dir klar, dass du schwanger bist?“
„Keine Ahnung. Zwei, drei Monate später …“ Sie rieb sich nervös die Schläfen. „Es war eine schlimme Zeit. Mir war ständig übel, aber ich dachte, es wäre nur der Schock. Als ich merkte, was los war, war es für mich …“
„Ein weiterer Schock?“
„Nein!“ Sie schüttelte empört den Kopf. „Wie ein Wunder. Aus der schlimmsten Nacht meines Lebens war das Beste hervorgegangen, was mir je passiert war.“
Ihre Antwort verwirrte ihn. Damit hatte er nicht gerechnet. „Du hättest mich trotzdem informieren müssen.“
„Wozu?“, rief sie verzweifelt. „Damit mein Großvater und du euch gegenseitig zerfleischt hättet? Das wollte ich Luca nicht zumuten. Ich habe getan, was das Beste für mein Baby war.“
„Unser Baby“, verbesserte er scharf. „Von nun an entscheiden wir gemeinsam.“ Er sah Angst in ihren Augen aufflackern.
„Luca ist glücklich. Ich verstehe dich ja, aber …“
„Gar nichts verstehst du.“ Er verstand sich ja selbst nicht. „Glaubst du, ich lasse meinen Sohn bei einem Baracchi aufwachsen?“
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