Gestohlene Stunden des Glücks (Julia) (German Edition)
Baracchis, unter dem ihr zu leiden hattet. In unserer Ehe wird es anders zugehen.“
„Ich verstehe ja, dass du wütend auf mich bist, aber denk doch an Luca!“
„Ich denke seit gestern Abend an nichts anderes.“
„Was hat er davon, wenn wir zusammenleben? Du solltest keine überstürzten Entscheidungen …“
„Überstürzt?“ Er hätte vor Wut an die Decke gehen können, wenn er sich vorstellte, wie viel Zeit er bereits verloren hatte. „Luca hat eine ganze Familie mit Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen, von der er nichts weiß!“ Ihre betroffene Miene ermutigte ihn, seinen Trumpf weiter auszuspielen. „Als Familienmitglied der Ferraras wird er sich nie einsam oder ungeliebt fühlen. Und er muss sich auch nicht in einem alten Bootsschuppen verkriechen, weil es zu Hause mal wieder Krach gibt.“
„Du Mistkerl …“ Ihre Augen wurden dunkel vor Schmerz, doch er war blind für alle Gefühle außer seinem eigenen unbändigen Zorn.
„Du hast mir meinen Sohn vorenthalten. Du hast ihn um das Recht betrogen, im Kreise einer liebevollen Familie aufzuwachsen, mir Erfahrungen verwehrt, die ich nie mehr nachholen kann. Ab jetzt sage ich, wo es langgeht. Wenn du mich deshalb für einen Mistkerl hältst, bitte, damit kann ich leben. Also denk über meinen Vorschlag nach.“ Er ging zur Tür. „Und während du nachdenkst, würde ich gern weiterarbeiten.“
„Du willst arbeiten?“
„Was glaubst du? Ich leite einen Hotelkonzern.“
„Ich brauche Zeit …“ Sie sah ihn ratlos an. „Ich muss mir darüber klar werden, was das Beste für Luca ist.“
Ungeduldig hielt er ihr die Tür auf. „Ein Vater und eine Familie zu haben ist das Beste für ihn, das müsste selbst ein verbohrter Baracchi einsehen. Ich gebe dir bis heute Abend Zeit, um zur Vernunft zu kommen. Und ich rate dir, erzähl deinem Großvater die Wahrheit, bevor ich es tue.“
4. KAPITEL
Nichts war so grausam wie ein zerstörter Traum.
Wie oft hatte sie sehnsüchtig zur anderen Seite der Bucht hinübergesehen und die Ferraras um ihr glückliches Familienleben beneidet? Wie oft hatte sie sich gewünscht, zu ihnen zu gehören? Nicht zufällig hatte sie sich in Zeiten größter Not in das alte Bootshaus geflüchtet, in der verzweifelten Hoffnung, dort etwas Nestwärme zu finden.
Sie hatte sich die nackten Beine am rauen Holz aufgeschürft, wenn sie sich durch das offene Fenster zwängte, und war in einer Wolke von Schmutz und Staub auf dem Boden gelandet. Es hatte ihr nichts ausgemacht.
In dem alten Schuppen, dessen wellenumspülte Tür zum offenen Meer hinauszeigte, hatte sie sich sicher gefühlt. Wer würde sie schon auf feindlichem Territorium vermuten? Umso größer war ihr Schock gewesen, als sie eines Tages Santo entdeckt hatte, der sie von einem nahen Felsen aus beobachtete. Mit angehaltenem Atem hatte sie darauf gewartet, dass er sie aus ihrem Versteck jagte.
Ihre Familie hasste die seine. Wenn nur der Name Ferrara fiel, herrschte im Hause Baracchi tagelang schlechte Stimmung. Wenn die Baracchis eins konnten, dann einen gesunden Hass nähren.
Santo hatte sie damals nicht verraten. Er war still und leise verschwunden, als hätte er gespürt, dass sie allein sein wollte.
Dadurch war der halbwüchsige Junge in ihren Augen zu einem Halbgott aufgestiegen. Das Bootshaus war ihr ständiger Zufluchtsort geworden, ihr geheimer Beobachtungsposten, der ihr Einblick in das Familienleben der Ferraras verschaffte. Ihr anfängliches Misstrauen verwandelte sich in Neid und Sehnsucht, als sie Zeugin fröhlicher Familienpicknicks und unbeschwerter Spiele am Strand wurde.
Damals hatte sie gelernt, dass man Streitigkeiten auch liebevoll austragen konnte, dass es Väter gab, die ihre Kinder in den Arm nahmen, Geschwister, die einander nahestanden. Sie hatte gelernt, was eine richtige Familie war.
Während ihre Mitschülerinnen davon träumten, eine Prinzessin zu sein, hatte sie als Kind nur den einen Wunsch gehabt: dass sich eines Tages herausstellen würde, dass sie in Wirklichkeit eine Ferrara war. Dass sie durch eine Verwechslung im Krankenhaus in der falschen Familie gelandet war und die Ferraras sie irgendwann zu sich holen würden.
Das habe ich nun davon.
Der Schlafmangel der letzten Nacht und die nervenaufreibende Begegnung mit Santo hatten ihr hämmernde Kopfschmerzen beschert. Bis zum Abend musste sie einen Weg finden, ihrem Großvater beizubringen, dass sein Todfeind der Vater seines geliebten Urenkels war.
Und dann wartete bereits
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