Gestohlene Wahrheit
machen.«
Vielleicht der beste seines Lebens?
Vielleicht
?
Jetzt wollte sie ihn nicht nur schlagen, sondern ihm gleich den Kopf abreißen.
»Du bist das größte …« Das laute Klingeln seines Handys unterbrach die Schimpftirade, zu der sie gerade ansetzen wollte.
Er zog hämisch eine Augenbraue hoch.
Gerettet in letzter Sekunde. War ja mal wieder typisch.
Sie machte den Mund zu und sah wütend mit an, wie er sein iPhone aus der Hosentasche zog. Er warf ihr noch einen finsteren Blick zu und hielt es sich dann ans Ohr. »Ghost«, bellte er und wandte ihr seinen breiten Rücken zu, auf dem noch deutlich ihre Kratzspuren und andere Beweise ihrer heißen Nacht zu sehen waren.
Eine Nacht, die vielleicht die beste seines Lebens gewesen war, die er aber offensichtlich nicht wiederholen wollte.
Sie wandte sich ab. Den Rest wollte sie gar nicht mehr hören. Das musste sie auch nicht. Alles, was sie wissen musste, hatte sie in seinem feigen, attraktiven Gesicht gesehen.
Es war vorbei.
Er hatte einer Nacht zugestimmt, und diese war nun ein für alle Mal vorbei.
Und was blieb ihr jetzt?
Nichts.
Nichts, außer der Erinnerung an die Leidenschaft, die sie miteinander geteilt hatten. Nichts, außer der schrecklichen Erkenntnis, dass sie keinen Mann so sehr lieben würde, wie sie ihn liebte. Nichts, außer einem Herzen, das Hoffnung verspürt hatte und jetzt in eintausend blutige Stücke zersprungen war.
Sie schlug die Decke zur Seite und stieg aus dem Bett. Dann hastete sie ins Badezimmer, zog sich ihre dort herumliegende Kleidung über und weigerte sich, den heißen Tränen freien Lauf zu lassen, die schon in ihr aufstiegen.
Was hatte sie denn erwartet?
Er war Nathan Weller, Ghost, der Eismann, Mr Emotionslos, wie Ozzie ihn immer nannte. Hatte sie wirklich geglaubt, eine Nacht mit ihr würde ihn plötzlich in jemand anderen verwandeln?
Nun ja, er war tatsächlich verwandelt worden, aber wie bei Cinderella hatte es sich nur um eine vorübergehende Metamorphose gehandelt. Nicht um Mitternacht, sondern bei Tagesanbruch war das Märchen vorüber gewesen.
Nur, dass er keinen Glaspantoffel zurückgelassen hatte.
Oh nein.
Er hatte es geschafft, die Scherben ihres dummen, von Gefühlen gelenkten Herzens zurückzulassen.
17
»Du musst dich gut festhalten«, wies Nate Ali an, als sie sich in den Chicagoer Verkehr einfädelten und die Phantom sich zwischen jenen Autos hindurchschlängelte, die dem dröhnenden Motorrad nicht ohnehin schon Platz gemacht hatten. »Ozzie hat eben angerufen und mir mitgeteilt, dass der Flusstunnel nicht genutzt werden kann und wir daher wie der Blitz durchs Haupttor reinmüssen.«
»Flusstunnel?« Ihre Stimme klang rau und eingerostet. Das war auch kein Wunder, da dies die ersten Worte waren, die sie miteinander wechselten, seitdem Nate sie in diesem widerlichen Motelzimmer so abgefertigt hatte.
Beinahe fünfzehn Stunden lang hatten sie sich angeschwiegen, und Ali hatte versucht, ihn so wenig wie möglich zu berühren und sich nur dann festzuhalten, wenn sie sich in eine Kurve legten und sie Angst hatte, herunterzufallen. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass er sich nach Körperkontakt derart sehnen, ihn sogar vermissen würde.
»Ach, du meinst die Bathöhle«, beantwortete sie sich ihre Frage selbst. »Was ist passiert?«
Mann, allein beim Klang ihrer Stimme schlug sein Herz schon schneller. Vielleicht würde sie sich gezwungen sehen, die Arme um ihn zu legen, wenn er schnell in die nächste Kurve fuhr … Nein. Da sie ganz nach hinten gerutscht war, würde sie vermutlich eher vom Sitz der Phantom fliegen, als ihn auch nur mit einem Finger zu berühren.
Verdammt.
Für einen relativ intelligenten Kerl war er gelegentlich ganz schön dämlich, was er an diesem Morgen erst wieder eindrucksvoll bewiesen hatte.
»Er sagte was von einem Problem mit der Hydraulik im Motor, der das Tor bei Black Knights Inc. steuert«, erklärte er ihr. »Wir könnten durch das Tor in der Parkgarage in den Tunnel reinfahren, aber dann würden wir wer weiß wie lange darin festsitzen, bis Rebel das Problem gefunden hat. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber die Aussicht, in einem dunklen Tunnel unter Unmengen von dreckigem Chicagoer Flusswasser zu sitzen, klingt für mich nicht gerade verlockend.«
Hey, auf einmal war er ja wieder sehr gesprächig! So viele Worte hatte er nicht mehr zu ihr gesagt, seit … seit sie ihn in ihren Armen gehalten und ihm die Geschichte von Moskau entlockt
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