Gestohlene Wahrheit
und senkte, presste ihren Kopf unter sein Kinn und lauschte seinem schnell schlagenden Herzen, das außer Kontrolle zu sein schien.
Ihrem ging es auch nicht viel besser. Sie hatte im ganzen Leben noch nicht solche Angst gehabt wie in dem Moment, in dem sie durch Nates schrecklichen Schrei aus ihrem deliriumartigen friedlichen Schlaf gerissen worden war.
Heilige Scheiße!
Hatte er sich wieder an die Folter erinnert?
Vielleicht auch nicht. Er hatte so viel durchgemacht, so viele schreckliche Dinge gesehen, die sie sich nicht einmal vorstellen konnte, dass sie sich gar nicht ausmalen konnte, welche schaurigen Dämonen ihn heimsuchten, wenn er verletzlich war und tief und fest schlief.
Sie schwieg lange Zeit und lauschte dem Sekundenzeiger an seiner großen, kompliziert wirkenden Armbanduhr, während sie die Gelegenheit nutzte, um sich wieder zu beruhigen, und ihm diese ebenfalls gewährte.
Schließlich fühlte sich ihr Herz nicht länger so an, als wollte es die Szene aus
Alien
nachspielen und ihren Brustkorb durchbohren. »Passiert das häufiger?«, fragte sie besorgt.
Sie konnte es sich nicht vorstellen.
»Ziemlich häufig«, erwiderte er mit einer Stimme, die so hart, kalt und so anders war als in der Nacht zuvor, als er ihren Namen verführerisch in ihr Ohr geflüstert hatte, während er seinen Samen in sie spritzte.
»Geht es … Geht es dabei um die Folter?«
Er setzte sich auf, und die schnelle Bewegung bewirkte, dass sie beinahe aus dem Bett geschleudert wurde – was schon etwas heißen wollte, da die verflixte Matratze etwa so weich und bequem wie ein Zementblock war. Ohne sie noch einmal anzusehen, schwang er seine langen Beine aus dem Bett und hob seine blutbefleckte Jeans vom Boden auf. »Ich sagte doch, dass ich nicht darüber reden will«, knurrte er und zog sich die Hose über den nackten Hintern.
Obwohl sie so kalt zurückgewiesen wurde, kam sie doch nicht umhin, seinen männlichen Körper zu bewundern, was vermutlich bewies, dass sie in Bezug auf ihn mehr als nur ein bisschen verrückt war.
Aber das war ja nichts Neues, oder?
»Okay«, versuchte sie ihn zu besänftigen. »Ich wollte doch nur …« Sie schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte, wenn ein Mann klang, als würde er im Schlaf sterben, und es ihm offenbar peinlich war, dass seine Verletzlichkeit bemerkt worden war, aber sie wollte ihr Bestes geben. Oder in diesem Fall vielmehr in ein altes Klischee zurückfallen. »Falls du je darüber reden möchtest, dann solltest du wissen, dass ich für dich da bin.«
Er wirbelte herum, und sein attraktives Gesicht sah im wenig schmeichelhaften Licht der Nachttischlampen kantiger aus als sonst. »Hast du nicht von einem One-Night-Stand gesprochen?«
Moment mal. Was?
»Ich …« Sie schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint. Ich dachte …«
»Lass es einfach«, zischte er. »Hör auf zu denken.«
»Nate.« Sie streckte eine Hand nach ihm aus und zog sich die lächerliche Bettdecke über die nackten Brüste. Auf einmal war sie es, die sich unglaublich verletzlich fühlte. »Bitte hör damit auf. Du musst mir nicht erzählen, was du geträumt hast, aber … benutz das nicht als Ausrede, um dich vor mir zu verschließen. Nutz es nicht, um mich wegzustoßen. Ich will doch nur …«
»Ich benutze gar nichts als Ausrede«, unterbrach er sie und schnaubte verächtlich. »Das muss ich auch gar nicht. Wir hatten uns auf eine Nacht geeinigt.« Er deutete durch das Fenster auf das schwache Licht am östlichen Horizont. Der neue Tag sah aus, als würde er Lippenstift auflegen. »Nun ist es Morgen. Also …« Er machte eine wellenartige Bewegung mit seiner großen Hand. »Der Anbruch eines neuen Tages beendet dieses kleine, verrückte Experiment.«
Seine Worte trafen sie bis ins Mark.
Dieses verrückte Experiment?
»Aber ich dachte …«
»Was?« Er legte seinen Kopf ein wenig schief und hielt sich die Handfläche ans Ohr. In diesem Augenblick hätte sie ihn am liebsten geschlagen. Wieder einmal. Nur, dass sie ihm dieses Mal wirklich wehtun wollte. So wie er ihr gerade wehtat.
»Pass auf«, meinte er und bückte sich, um seine Stiefel aufzuheben, während sie nur dasaß und ihn erschrocken anstarrte. »Der Sex war wirklich klasse, Süße. Vielleicht der beste meines Lebens. Aber wir wussten, dass es nur für eine Nacht war. Ruinier es nicht, indem du versuchst, etwas anderes daraus zu
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