Gestohlene Wahrheit
während sie den anderen in die entschlossenen, aber auch erschöpften Gesichter blickte. Oh ja, sie sollten es nur wagen, ihr das ausreden zu wollen, denn wenn sie das versuchten … Nun ja, sie würde dafür sorgen, dass sie gar nicht erst auf den Gedanken kamen. »Ich habe es verdient, bis zum Ende mit dabei zu sein.«
»Ali …«, setzte Nate an, aber er wurde von Franks rauer Stimme unterbrochen.
»Okay, Ali«, knurrte der große Mann, der ihren entschlossenen Gesichtsausdruck entweder richtig deutete oder einfach weder Lust noch Zeit hatte, sich mit ihr zu streiten. »Pack ein, was du brauchst. Der Militärtransporter, den wir in der Great Lakes Naval Station erreichen wollen, startet in neunzig Minuten.«
Sie nickte und stand langsam von ihrem Stuhl auf, wobei sie Nates besorgtem und streitlustigem Blick auswich. Sie wusste, dass er sich mit ihr anlegen und sie dazu bringen wollte, hierzubleiben, wo sie in Sicherheit war. Aber im Moment war ihr ihre Sicherheit völlig egal.
»Ihre Lobbyisten sagen, sie bräuchten nur noch zwei Stimmen und dann wären wir bereit …«
Was immer Ron Dunn, der Senator aus New Jersey, sagen wollte, blieb unausgesprochen, da zwei Männer in schwarzen Anzügen in Senator Alan Aldus’ Büro stürmten, dicht gefolgt von seiner besorgten Sekretärin, die seit zwanzig Jahren für ihn arbeitete.
»Es tut mir so leid, Senator Aldus«, stammelte sie und rang ihre venenüberzogenen Hände, bevor sie ihre Trifokalbrille ein Stück hochschob. »Ich habe ihnen gesagt, dass Sie in einer Besprechung sind, aber sie sind einfach an mir vorbeigestürmt.«
»Schon okay, Janice«, versicherte Aldus, auch wenn er beim Anblick der Männer, die auf ihn zukamen, selbst nicht davon überzeugt war.
Secret Service?
So sahen die beiden auf jeden Fall aus in ihren identischen schwarzen Anzügen und mit den durchsichtigen Plastikdrähten, die aus ihrem weißen Hemdkragen herauskamen und in ihrer Ohrmuschel verschwanden. Die
Men in Black
höchstpersönlich.
»Senator Aldus«, sagte einer der beiden mit einem Akzent, der eigentlich gar keiner war, »Sie müssen uns begleiten.«
»Ron«, Aldus drehte sich zu dem offenkundig neugierigen Mann um, der ihm gegenübersaß, während er sich um einen unbeteiligten Gesichtsausdruck bemühte. »Wir müssen das später besprechen.«
»Äh … natürlich«, erwiderte der Senator aus New Jersey, stand auf und versuchte gar nicht erst, seine Neugier zu verhehlen, als er die beiden Roboter anstarrte, die näher kamen und Aldus in ihre Mitte nahmen.
Er wartete geduldig, bis Ron gegangen war, Janice dicht auf den Fersen, bevor er aufstand und bedächtig die Goldknöpfe an seinem stark taillierten Hugo-Boss-Anzug zuknöpfte. Nachdem er auch seine goldenen Manschettenknöpfe gerichtet hatte, betrachtete er seine stoischen Begleiter mit einer Kühnheit, wie sie nur ein US-Senator aufbringen konnte.
»Gentlemen«, sagte er mit leicht herablassendem Tonfall, »was denken Sie sich eigentlich dabei, einfach hier reinzustürmen und mir zu befehlen …«
Er glaubte schon, die Vene in seiner Schläfe würde explodieren, als ihn Man in Black I unterbrach. »Wir haben unsere Anweisungen, Senator.« Bildete er sich das nur ein oder hatte der Mann spöttisch geguckt, als er seinen Titel ausgesprochen hatte? »Wir sollen Sie augenblicklich ins Weiße Haus eskortieren.«
Er machte den Mund auf, aber dann schaltete sich auch noch Man in Black II ein. »Sie sollten wissen, Sir, dass wir instruiert wurden, Sie auch mit Gewalt, notfalls sogar in Handschellen abzuführen, falls Sie sich weigern sollten, uns friedlich zu begleiten.«
Sofort stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn, ließ seine Achselhöhlen unter seinem Hemd und seiner Anzugjacke feucht werden und strömte auf ekelerregende Weise seinen Rücken hinunter. Dennoch breitete sich gleichzeitig eine Eiseskälte in seinen Adern aus.
»Worum geht es?«, wollte er wissen, aber ihm wollte nur eine Sache einfallen, wegen der der Secret Service vor seiner Tür stehen und ihn, notfalls mit Gewalt, ins Weiße Haus bringen würde.
Diese verdammten Dateien.
Er hatte seit Roccos Tod nichts mehr von Johnny gehört, aber er hatte damit auch erst heute Abend gerechnet. Johnny hatte versprochen, dass Ms Morgan und der ehemalige Sergeant Weller so gut wie tot wären. Aufgrund des bedrohlichen Tonfalls in Johnnys rauer Stimme hatte Aldus ihm geglaubt.
Das Prepaid-Handy in seiner Jackentasche fühlte sich auf einmal an wie ein
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