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Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Ann Walker
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montiert waren. Allerdings musste sie zugeben, dass der Helikopter im Moment nicht gerade gefährlich aussah, da man einen Großteil seiner Bestandteile ausgebaut und auf dem Boden in diversen Haufen verteilt hatte.
    Es war offensichtlich, dass der Vogel in nächster Zeit nicht fliegen würde.
    Wenn sie Ozzies/Ethans Waffe und der Raum hinter ihr, bei dessen Anblick die Besucher jeder Hackerkonferenz einen Computergeek-Orgasmus bekommen hätten, noch nicht davon überzeugt hätten, dass ihre Vermutung über Black Knights Inc. durchaus angebracht war, dann stellte der tödliche Militärhubschrauber das Tüpfelchen auf dem i dar und beseitigte ihre letzten Zweifel.
    Sie fand es auf jeden Fall sehr befriedigend, endlich zu wissen, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hatte. Grigg hatte weitaus mehr getan, als in einer Motorradwerkstatt zu arbeiten. Dummerweise wurde diese zufriedenstellende Erkenntnis von einer tiefen Traurigkeit begleitet, die sie auch schon gespürt hatte, als sie vor dem Eisentor von Black Knights Inc. gehalten hatte. Sie war frustriert und traurig, weil Grigg geglaubt hatte, ihr die Wahrheit nicht anvertrauen zu können.
    Warum nicht, Grigg?
    Sie hätte ihm diese Frage stellen sollen, als er noch am Leben war. Sie hätte ihn dazu bringen sollen, diesen Teil seines Lebens mit ihr zu teilen. Sie hätte darauf bestehen sollen, ihn
richtig
kennenzulernen, anstatt sich ständig auf die Zunge zu beißen und auf den Tag zu warten, an dem er ihr endlich so weit vertraute, dass er ihr alles erzählte.
    Jetzt war es zu spät.
    Ihre Trauer war seit dem Moment, in dem Nate das Haus ihrer Eltern betreten und ihnen gesagt hatte, dass sie Grigg nie wiedersehen würden, immer stärker geworden, bis sie sie zu ersticken drohte. Sie blinzelte mehrmals schnell hintereinander und versuchte, die Gefühle herunterzuschlucken.
    Was nie funktionierte.
    Mist.
    Nicht weinen. Nicht weinen.
    Sie war noch nie ein sehr stoischer Mensch gewesen, eher das Gegenteil davon. Einmal hatte sie während eines Flugs nach London bei dem Film
Marley und ich
so heftig weinen müssen, dass der Mann, der neben ihr saß, zweimal aufgestanden, zur Toilette gegangen und mit einer Handvoll Toilettenpapier wiedergekommen war, damit sie der Tränenflut Herr werden konnte. Aber seit Neuestem konnte sie offenbar sogar ohne die geringste Vorwarnung in Tränen ausbrechen. Sie hoffte, dass das nur eine vorübergehende Phase war, glaubte allerdings selbst nicht wirklich daran. Der Verlust von Grigg war einfach noch viel zu frisch … zu unerträglich …
    »Heard it from a friend whooo … heard it from a friend whooo … heard it from another you been messin’ arounnnddd«
, sang Ozzie/Ethan mit dramatischer Stimme.
    Die plötzliche Stille nach dem Ende des Liedes wurde erst unterbrochen, als die ersten Töne von Rick Springfields »Jessie’s Girl« aus den Lautsprechern dröhnten. Offensichtlich war Ethan/Ozzie ein großer Fan der Achtziger, auch wenn er so aussah, als hätte er diese Dekade nicht wirklich bewusst miterlebt, weil er einfach noch zu jung gewesen war.
    »Miaaaau!« Ali erschrak heftig, als etwas Warmes und Felliges um ihre Unterschenkel strich, was ihre angespannten Nerven und das Gefühl, in der Falle zu sitzen, nicht gerade beruhigte, aber es half, ihre dummen Tränen in Zaum zu halten.
    »Oh, hallo«, murmelte sie und sah auf die wohl größte und hässlichste Katze des Planeten hinab.
    Sie hockte sich hin, um das fleckige, graue Fell des Tiers zu streicheln. Der Kater war so groß wie ein kleines Pferd und hatte so viele Narben im Gesicht und Kerben im Ohr, dass er aussah wie ein angeschlagener Krieger. Als er sie mit seinen großen, gelben Augen voller sorgenvollem, kätzischem Mitgefühl ansah, schien er ihr mitteilen zu wollen: »Ich verstehe dich. Ich habe auch schon viele unschöne Seiten des Lebens gesehen.« Und schon wieder war sie kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    Ach, verdammt.
    Um sich zu trösten, nahm sie den riesigen Kater auf den Arm und stand auf.
    Oder versuchte es zumindest …
    Das war gar nicht so leicht, da er so viel zu wiegen schien wie ein Bernhardiner. Schließlich schaffte sie es doch, sich am Geländer hochzuziehen, musste sich dann aber aufgrund ihrer pelzigen Last breitbeinig hinstellen, um nicht umzufallen.
    Sie hörte ein tiefes Brummen und glaubte schon, jemand hätte unten eine der Harleys angelassen. Doch dann musste sie kichern, als ihr klar wurde, dass es von dem äußerst zufriedenen

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