Gestohlene Wahrheit
Sie war überfallen, verwanzt und mit einer Waffe bedroht worden, und das alles innerhalb von weniger als sechsunddreißig Stunden.
Grigg, mein Bruder, in welche Scheiße hast du uns da alle mit reingezogen?
»Die Schnauferei passt nicht zu dir, Frank«, schnaubte Becky, die versuchte, mit Ozzie und dem Programm, das sie parallel zu hacken versuchten, mitzukommen. »Wenn du mir ständig in den Nacken atmest, geht das Ganze hier auch nicht schneller und du machst mich nervös.«
Also rück ein Stück von mir ab, du großer, blöder, blinder, lästiger Affe!
Den letzten Teil konnte sie natürlich nicht laut sagen, zumindest nicht, wenn ihr was an ihrem Job lag. Und das tat es. Dummerweise. Drei Mahlzeiten am Tag waren nun mal nicht zu verachten, und ihre Lollisucht war auch nicht gerade billig.
»Hast du mir nicht heute Morgen erst erzählt, dass du das lernen willst, um eine lukrativere Position innerhalb unserer Organisation übernehmen zu können? Tja, dann wirst du auch noch mehr unter Stress stehen, Rebecca. Gewöhn dich schon mal dran.«
Rebecca, Rebecca, Rebecca. Einfach großartig. Himmel, er brachte sie noch dazu, ihren Namen ändern zu lassen.
Und ja, sie hatte ihm an diesem Morgen, nachdem sie ihm gestanden hatte, Griggs privates E-Mail-Konto gehackt zu haben, erzählt, dass sie diese eher zweifelhaften Computerfähigkeiten bei Ozzie lernte, um nützlicher für das Team zu sein. Frank war über diese kleine Enthüllung schon sauer genug, daher war es vermutlich klug, ihn nicht wissen zu lassen, dass Ghost ihr das Schießen beigebracht hatte, Billy ihr Privatunterricht im Umgang mit Sprengstoff gab und Steady ihr einen Grundkurs in Erster Hilfe gab.
Ja, das sollte sie lieber alles für sich behalten. Erst einmal musste er sich an den Gedanken gewöhnen, sie als vollwertiges Teammitglied aufzunehmen, dann konnte sie weitersehen.
Aber zuerst musste sie damit fertigwerden, dass er dicht hinter ihr stand und mit seinen unglaublich breiten Schultern einen Riesenschatten warf, ihren Hintern mit der heimtückischen Hitze seiner festen Oberschenkel erwärmte, nach heißem Leder und kaltem Bier und … nach Frank roch. Damit kam sie klar. Sicher, damit wurde sie fertig. Kein Problem.
Ihre Finger gaben den falschen Befehl ein, und sie fluchte.
»Ich bin drin«, verkündete Ozzie, und sie warf die Hände in die Luft.
Zum Trost wickelte sie einen Lutscher mit Weintraubengeschmack aus und schob ihn sich wütend zwischen die schmollenden Lippen. Beinahe hätte sie sich damit einen Zahn ausgeschlagen, aber Sekunden später half ihr die Zuckerexplosion im Mund, sich auf die bevorstehende Aufgabe anstatt auf Franks verwirrende Nähe zu konzentrieren.
Und die Tatsache auszublenden, dass er ein komplettes Arschloch war, wenn es um sie ging.
Sie rollte ihren Stuhl von ihrem Computer zu Ozzies Monitor und sah mit an, wie der Code über den Bildschirm raste. Sie hatten sich in das Überwachungssystem der Stadt Chicago gehackt. Das war nicht wahnsinnig schwer gewesen, aber Frank, der Computervirtuose hatte sie mal wieder geschlagen.
Egal.
Sie würde weiter üben, und zwar in jedem Bereich.
Denn wenn Frank sie ernst nahm, dann würde er sie vielleicht nicht mehr als notwendiges Übel ansehen, das sich um ihre Maschinen kümmerte. Möglicherweise würde er sie dann als erwachsene Frau und nicht als die mit Schmiere befleckte, Lollis lutschende kleine Schwester seiner Männer sehen. Eventuell …
»Jetzt müssen wir noch den Bildausschnitt, den wir dank der Sicherheitskamera im Delilah’s von dem geheimnisvollen Mann haben, in mein Programm hochladen und es mit möglichen Übereinstimmungen im System der Stadt vergleichen. Wenn wir ein besseres Bild vom Gesicht des Mannes haben, lassen wir es durch die Gesichtserkennungssoftware laufen und wissen dann endlich, mit wem wir es zu tun haben«, erklärte Ozzie, während seine Finger rasend schnell über die Tastatur glitten.
»Konntest du den Mann sehen?«, fragte Dan Ali. »War er es, der dir gefolgt ist?«
Ali beugte sich näher zu Ozzies Monitor, auf dem das körnige Foto des geheimnisvollen Mannes flackerte, während es mit den Überwachungsbildern der Stadt verglichen wurde.
»Es sieht ganz danach aus«, murmelte sie. »Die Frisur stimmt. Der Körperbau auch. Das ist auf jeden Fall nicht der Straßenräuber. Der Kerl war riesig. Eher so groß wie Frank, aber …« Sie sah das Foto stirnrunzelnd an. »Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, ob es wirklich der ist,
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