Gestohlene Wahrheit
Matratze waren also nicht das Problem. Ihre Schlaflosigkeit lag auch nicht daran, dass Peanut seinen beachtlichen Körper an ihrer Seite zusammengerollt hatte und lautstark schnurrte.
Na gut, er trug vielleicht ein wenig dazu bei. Schließlich kam es ihr so vor, als würde sie neben einem Düsentriebwerk liegen.
Das Hauptproblem war jedoch, dass sie Angst hatte.
Sie hatte geglaubt, sich zu fürchten, als sie in North Carolina in ihren Wagen gestiegen war, um ohne Pause bis nach Chicago durchzufahren. Jetzt wurde ihr klar, dass sie da gerade mal ein wenig verängstigt gewesen war. Denn da hatte sie noch geglaubt, sie würde hier auftauchen, ihr Problem schildern, es an Nate weiterreichen, damit der sich darum kümmern konnte, um dann zurück nach Hause fahren – nachdem sie vielleicht noch eine kleine Shoppingtour in der Stadt gemacht hatte.
Ha, ha. Mann, war sie naiv gewesen. Das alles war natürlich
nicht
so gekommen, und überdies hatte sie noch erfahren, dass man sie verwanzt hatte, dass ihr Bruder auf eigene Faust gehandelt hatte, sein FBI-Kontakt tot war und sie vermutlich von der CIA verfolgt und mit der Waffe bedroht worden war.
Deswegen hatte sie jetzt eine Heidenangst.
Wessen Leben führte sie hier eigentlich gerade?
Nicht das ihre, so viel stand fest. Solche Dinge erlebten Kindergärtnerinnen nicht. Es sei denn, sie hatten einen großen Bruder, der sich auf geheime Operationen für die Regierung spezialisiert hatte. Was bei ihr leider der Fall war.
Verdammt noch mal, Grigg! Was hast du dir nur dabei gedacht, mich in diese Sache mit reinzuziehen?
Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, fühlte sie sich auch schon schlecht. Grigg hätte sie niemals mit Absicht in Gefahr gebracht. Hier ging irgendetwas anderes vor sich, etwas, das an ihrem Verstand nagte wie ein Wurm. Aber immer, wenn sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, rutschte es weiter und immer weiter in die Tiefen ihres Unterbewusstseins ab.
Okay, am besten dachte sie an etwas anderes. Das hatte ihr ihre Mom immer geraten, wenn ihre Gedanken um die Antwort herumschwirrten wie ein Schmetterling um eine Blume.
Sie holte tief Luft und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Und was passierte? Das Erste, was ihr in den Sinn kam, war der wunderbar schreckliche Tag am Strand mit Nate. Wie die Sonne ihre nackten Schultern gewärmt hatte. Wie die kühlen Wellen ans Ufer gerollt waren. Wie die Möwen aus vermeintlichem Mitgefühl mit ihrem brechenden Herzen geschrien hatten. Und wie Nate instinktiv die seltsame Sehnsucht tief in ihrem Inneren verstanden hatte. Dieses ungewöhnliche Bedürfnis, das wunderschöne, vibrierende Leben zu spüren, nachdem sie sich mit dem dunklen Gespenst des Todes hatte auseinandersetzen müssen.
Nun ja, das war nicht gerade etwas Neues, auch keine überraschende Reaktion auf einen Verlust. Schon die Höhlenmenschen hatten ihre Partner zweifellos sofort bestiegen, nachdem einer ihrer Horde ins große Unbekannte übergegangen war. Doch dass ihre Reaktion durchaus nicht ungewöhnlich war, hatte sie damals nicht wirklich begriffen.
Es war ihr so vorgekommen, als würde sie im Inneren sterben, und sie hatte … irgendetwas gebraucht. Etwas Echtes und Einfaches. Etwas, das verhindern konnte, dass sie in einen Abgrund voller Trauer stürzte, aus dem sie nie wieder zurückkehren konnte.
Und irgendwie hatte Nate das gewusst. Er hatte es verstanden. Der dunkle, düstere, grüblerische Nathan Weller hatte in sie hineingesehen, an all dem Schmerz und der Verzweiflung vorbei. Er hatte ihr an diesem Tag ein seltenes und wunderschönes Geschenk gemacht.
Zärtlichkeit.
Er war so zärtlich gewesen, als sie ihre verzweifelten Lippen von seinen überraschten gelöst und geflüstert hatte: »Liebe mich.«
Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sein Adamsapfel gehüpft war, als er sie so angesehen hatte, wie nur er es konnte. Mit dieser wilden Wachsamkeit, dieser prüfenden Intensität. Schwarze Augen, die ihr direkt in die Seele blickten. Er hatte ihren Mund mit einem Kuss erobert, der ihr noch immer die Röte in die Wangen trieb.
Es war leidenschaftlich, aber auch sehr zärtlich und sanft gewesen. Er hatte ihren Mund geliebt. Es ließ sich nicht anders beschreiben. Und als seine große Hand mit seiner Kriegersammlung an Schwielen und Narben sanft ihre linke Brust umfangen hatte, hatte sie geseufzt. Mit einer zärtlichen Berührung seines großen Daumens hatte er ihre Brustwarze dazu gebracht, sich aufzurichten.
Das
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