Gestohlene Wahrheit
der mich beobachtet hat«, musste sie frustriert gestehen.
Ja, sie waren alle frustriert. Doch die Tatsache, dass der Kerl einfach verschwunden war, nachdem er offensichtlich eine Waffe auf Ali gerichtet hatte, war nicht der Grund dafür, dass Becky so schlechte Laune hatte.
Nein, das hatte etwas mit einem gewissen Mann zu tun, dessen
nom de guerre
Boss lautete.
Warum musste er nur so ein Korinthenkacker sein? Warum konnte er nicht einfach zugeben …
Auf einmal flackerte das Bild nicht mehr, und zwei Fotos erschienen nebeneinander auf Ozzies Bildschirm.
»Junge, der Mann ist gut.« Dan stieß einen Pfiff aus, da die beiden Schnappschüsse, die sie aus der Datenbank der Stadt erhalten hatten, noch weniger aussagekräftig waren als das Bild aus dem Delilah’s. Das war offensichtlich derselbe Mann, aber er hatte auf beiden Fotos den Kopf abgewandt. »Er scheint zu wissen, wo sich die Kameras befinden, und sich große Mühe zu geben, ihnen aus dem Weg zu gehen.«
»Ich hab’s euch doch gesagt«, meinte Ghost. »Dem Typen stand ›Agent‹ ins Gesicht geschrieben.«
»CIA?«, fragte Frank, wobei er sich zum Glück endlich abwandte, sodass seine Körperwärme, sein Geruch und seine Omnipräsenz verschwanden. Endlich konnte sie wieder Luft holen.
»Würde ich fast vermuten«, erwiderte Ghost.
Ihr fiel auf, dass Ali bei dieser besonders beunruhigenden Neuigkeit die Augen aufriss, und fragte sich, ob ihr bewusst war, dass sie gerade einen Schritt auf Ghost zu gemacht hatte, und ob Ghost realisierte, dass er ihr gerade beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.
Das ist doch ein aussichtsloser Kampf
, dachte sie.
Sie sollten es sich endlich eingestehen und es hinter sich bringen.
Haha. Wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Als ob sie irgendwelche Erfahrungen in der Liebe hatte, schließlich war das Einzige, was sie nachts wärmte, ihre Flanelldecke und Mr Blue.
Sie war so ein Loser. Hier saß sie, fünfundzwanzig Jahre alt, nicht gerade hässlich, zumindest behaupteten das die meisten ihrer männlichen Freunde, und trotzdem kam ihre ganze Action im Bett von einem achtzehn Zentimeter langen Stück blauem Gummi, für das sie auch noch Batterien benötigte.
»Scheiße!« Frank strich sich mit der Hand durchs Haar und zuckte zusammen, als er merkte, dass er schon wieder in der Gegenwart der Frauen geflucht hatte. Sie hätte zu gern gewusst, ob er auch dann noch versuchte, sich wie ein Gentleman zu benehmen, wenn er in den Norden fuhr.
Oh ja, Becky wusste alles über seine Besuche im Lincoln Park. Sie wusste nur nicht, wen er da besuchte. Und da sie ihm nicht folgen konnte – schließlich besaß sie noch immer ein bisschen Stolz, selbst wenn es um ihn ging, worüber sie heilfroh war –, hatte sie alle anderen Mittel erschöpft, um herauszufinden, mit wem er sich dort insgeheim traf.
»Zuerst das FBI, und jetzt können wir möglicherweise auch noch die nette CIA in diese unangenehme Buchstabensuppe werfen«, knurrte Frank. Er schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. »Es ist schon ein Uhr. Lasst uns für heute Feierabend machen. Vielleicht können wir morgen ein wenig Licht in diese … diese …«, er schüttelte erneut den Kopf, »diese Sache bringen, was immer sie auch sein mag.«
Ja, und vielleicht brachte Becky morgen auch endlich den Mut auf, ihm zu sagen, was sie wirklich für ihn empfand.
Aber vielleicht lernten morgen auch Schweine fliegen.
Ali konnte nicht schlafen.
Das hatte nichts mit ihrem achtstündigen Nickerchen oder der fremden Umgebung zu tun, denn das Gästezimmer bei Black Knights Inc. hatte die Größe eines Hotelzimmers und besaß sogar eine kleine Küchenzeile sowie ein weiß gekacheltes Badezimmer mit einer Dusche – zumindest in der Hinsicht hatte ihr Grigg die Wahrheit gesagt –, außerdem war es schön eingerichtet und gemütlich.
Die warmen Ziegelsteinmauern verliehen dem Raum trotz der silberfarbenen Lüftungsanlage und der frei liegenden Rohre unter der Decke eine angenehme Atmosphäre. Derjenige, der die Wandbilder in der Werkstatt angefertigt hatte, war offensichtlich auch in anderen künstlerischen Gefilden zu Hause, was sich in einem abstrakten zweiteiligen Gemälde, das über dem Bett hing, widerspiegelte. Die Technik war eine völlig andere, aber die Farbgewalt sprach eine eindeutige Sprache. Es passte wunderbar zu der türkis-grünen Tagesdecke auf dem Bett und dem Teppich, der einen Teil des lackierten Holzfußbodens bedeckte.
Das Zimmer und die bequeme
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