Gestohlene Wahrheit
sich zu ihm umdrehte. »Komm bitte mal mit.«
Na, super.
Sie musterte die Umstehenden, die sie mit gleichgültigem Gesichtsausdruck ansahen.
Okay, es herrschte also Ruhe auf den billigen Plätzen.
Mit Ausnahme von Becky. Sie schnitt eine Grimasse und zwinkerte ihr dann aufmunternd zu. Ali wusste die Geste zu schätzen, die ihre innere Unruhe jedoch auch nicht besänftigen konnte.
Das würde gleich ganz übel werden. Aber sie konnte sich schlecht weigern. Wenn sie das täte, würden die Knights einfach alle das Büro verlassen, sodass sie in derselben misslichen Lage wäre. Allein mit Nate.
Sie verzog das Gesicht und stieß die Luft aus. Dann nahm sie die Katze auf die Arme, stand auf und folgte Nate die Metalltreppe hinauf in sein spartanisches Schlafzimmer.
Der Tatort von gestern
, dachte sie säuerlich und hätte am liebsten laut aufgeschrien, als ihr seine kaltherzige Abfuhr wieder einfiel.
Stattdessen nahm sie all ihre Selbstsicherheit zusammen, marschierte mit hoch erhobenem Kinn an ihm vorbei und setzte sich auf die Bettkante. Zumindest konnte er so nicht merken, dass sie butterweiche Knie hatte, außerdem taten ihr langsam die Arme weh, weil Peanut ein ziemlicher Brocken war.
»Du kannst mich nicht umstimmen«, sagte sie zu Nate und beobachtete ihn, während er sich auf seinen ledernen Fernsehsessel setzte, sich zurücklehnte und die Füße hochlegte. Er sah sie mit diamantharten Augen an.
»
Warum
willst du mitkommen?«
»Weil Grigg mein Bruder war, und weil ich es leid bin, nie eine Antwort auf meine Fragen zu bekommen. Wenn du den USB-Stick holst, dann werde ich nie erfahren, worum es bei dieser Sache eigentlich gegangen ist.«
Er sah sie einfach nur an.
»Du leugnest es nicht einmal?«, fragte sie ungläubig.
Er regte sich nicht, sagte keinen Ton und wirkte nicht einmal so, als würde er atmen.
Und dann wartete er einfach, bis sie es nicht mehr aushielte.
Tja, das würde dieses Mal nicht funktionieren. Oh nein, keine Chance. Nicht mit ihr.
Die Stille dauerte an. Sie konnte beinahe hören, wie der Sekundenzeiger seiner Armbanduhr tickte. In Peanuts rundem Bauch rumpelte es einmal warnend, bevor er sehr unkätzisch einen fahren ließ.
»Igitt!«, rief sie und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, um den ekelhaften Geruch zu vertreiben.
Nate blinzelte, ließ sich von Peanuts gastrointestinalem Versuch, die Spannung zu vertreiben, aber nicht aus der Ruhe bringen.
Während sie die Hand senkte, um Peanut zu streicheln, der tatsächlich zu lächeln schien, starrte sie Nates frustrierend gleichgültiges Gesicht an. Es würde
nicht
funktionieren. Da konnte er warten, bis er schwarz wurde. Sie konnte in aller Seelenruhe hier sitzen, sich die Zeit vertreiben und …
»Mann!« Sie riss die Hände in die Luft. Ansonsten hätte sie den Mann erwürgen müssen. »So sag doch um Gottes willen was!«
Peanut stieß ein missbilligendes, lang gezogenes Maunzen aus. Seine vernarbte schwarze Nase zeigte zur Decke, und sein schiefer Schwanz peitschte hin und her.
»Nicht du!«, meinte sie genervt zu der Katze. »Du!« Sie deutete mit einem Finger auf Nates muskulöse Brust.
»Was soll ich denn sagen?«, erwiderte er und seufzte resigniert. »Wenn ich der Ansicht bin, dass die Informationen zu wertvoll sind, um sie Zivilisten zugänglich zu machen, dann würde ich sie nur autorisierten Personen übergeben, und zu denen gehörst du nicht.«
»Aber er war mein Bruder!«, schrie sie ihn wütend und frustriert an und bekam Angst, dass sie diesen Kampf verlieren und nie erfahren würde, was das alles zu bedeuten hatte. »Ich verdiene es zu erfahren, worin er verwickelt gewesen ist.«
»Nein«, entgegnete er mit eiskalter Überzeugung. Der Eismann war wieder da. »Das tust du nicht. Außerdem weißt du ohnehin schon viel zu viel.«
»Himmel noch eins!« Sie zog Peanut an ihre Brust und ließ sich von seiner Wärme trösten. »Was soll das bedeuten? Musst du mich jetzt etwa umbringen?«
Brachten Spione der Regierung und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums tatsächlich Zivilisten um, die zu neugierig geworden waren, oder passierte so etwas nur im Kino?
Aber als sie darüber nachdachte, kam sie zu der Erkenntnis, dass die Fiktion meist auf wenigstens einem Fünkchen Wahrheit beruhte.
Ach, Scheiße.
»Niemals«, schwor Nate, dessen ohnehin schon tiefe Stimme jetzt einem fast schon kehligen, wilden Knurren glich. »Ich würde niemals zulassen, dass dir was passiert, Ali.«
Wow. Sie schluckte den
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