Gestorben um zu leben (SPUKVERWALTUNG OHG) (German Edition)
Geschrei der zahllosen Insassen, die ihre Folter selbst verschärften, indem sie sich dagegen wehrten. Würden sie stillhalten und aufhören zu brüllen, würde es nach einiger Zeit erträglich. Aber das werde ich bestimmt keinem von ihnen erzählen, dann habe ich ja nichts mehr, worüber ich mich amüsieren konnte.
„Wir wollen hier endlich weg“, brüllte eine Gruppe der überflüssigen aufgestauten Seelen.
„Es steht uns zu, ins Vorzimmer zur himmlischen Seligkeit zu gelangen“, meldete sich ein besonders dreister Kerl.
„Ihr habt doch nicht gerade etwas verlangt?“, fragte ich leise und fixierte einen der Männer, der vor Empörung lila angelaufen war.
„Meine Zeit hier ist abgelaufen“, erwiderte er trotzig.
„Seit wann entscheidest du selbst darüber? Da habe ich immer noch ein Wörtchen mitzureden. Meinetwegen kannst du noch einige Jahrhunderte im Fegefeuer schmoren. Und wehe, einer von euch beklagt sich. Jetzt will ich wissen, warum ihr alle hier herumsteht.“
Ich drängte mich durch die menschenähnlichen Schemen und kam schließlich in die Verteilungsanlage, die wie ein Wartesaal mit mehreren Ausgängen gestaltet war. Verblüfft stand ich da. Eine riesige weiße Wand versperrte alle Ausgänge.
„Was soll das? Wer hat diesen Blödsinn angeordnet?“, fragte ich scharf.
Die Antwort erfolgte von ungeahnter Seite. Schwefelgestank breitete sich aus, der Chef erschien aus dem Nichts und grinste mich an.
„Das sieht doch schon gut aus, oder nicht? Jetzt fehlt uns nur noch der Computer mit der richtigen Programmierung, dann steht der Überraschung zum Fest nichts mehr im Weg.“
„Bis auf ein paar tausend Seelen, die hier herumstehen und nicht wegkommen“, meinte ich bissig.
„Aber die brauche ich doch alle noch“, behauptete er.
„Wozu denn?“, wollte ich wissen. „Du verlangst, dass ich dafür sorge, möglichst wenig Fehler aufkommen zu lassen. Dann solltest du mich meine Arbeit tun lassen. Räum das Ding da weg.“
„Sobald ich es nicht mehr brauche. Vorerst bleibt die Wand da stehen.“
„Was hast du mit den Seelen vor? Die stapeln sich hier und machen nur Ärger.“
„Wen stört das? Geh zurück an deine Arbeit, ich habe gehört, da sind noch einige Geister mitten in New York durchgedreht.“
„Was? Bist du verrückt? Die Menschen werden sie entdecken …“
Die hatte es bis vor einigen Minuten noch nicht gegeben, also hatte mein Chef mir Extra-Arbeit beschert. Eines Tages würde ich mich rächen, schwor ich zum wiederholten Mal, und machte mich auf nach New York.
*
Die Geister tobten in der Kanalisation, innerhalb der Werbemonitore auf dem Times Square und in den Zentralrechnern der öffentlichen Verwaltung. Nun gut, hier würde es kaum auffallen. Trotzdem konnte es kaum schlimmer sein, denn die Einwohner von New York legen Wert auf ihr geordnetes Chaos.
Ich hörte interessiert den ausgesprochen kreativen Flüchen der Menschen zu, dann kümmerte ich mich aber um die Ausreißer.
Es kostete mich nur wenige Gedanken und zwei kleine Wutausbrüche, dann hatte ich bis auf eine Handvoll Geister alle wieder zur Räson gebracht und an ihre angestammten Plätze zurückgeschickt.
„Kain, Abel“, brüllte ich, weil ich meine tumben Diener vermisste. Augenblicklich materialisierten die Knochengestelle an meiner Seite. „Wir haben ein Dutzend Ausreißer, die glauben, sie könnten mir im Vergnügungspark entkommen. Die Geisterbahn ist schon übel genug, da braucht es keine echten Geister. Wir holen sie zurück“, erklärte ich knapp und schreckte im nächsten Augenblick zusammen. Die Menschen erstarrten in der Bewegung, der Verkehr kam zum Stillstand, die ganze Stadt wurde in Stasis versetzt.
Wer, bei Satans Pferdefuß, hatte das nun wieder angerichtet?
Auf den riesigen Werbetafeln erschien das Abbild Satans, und um uns herum tauchten tausende von verdammten Seelen auf. All diejenigen, die noch in der Verteilungsanlage feststeckten, sollten jetzt offenbar das Publikum für eine skurrile Show liefern, von der ich bislang nichts wusste. Als wäre das nicht genug, erschuf Luzifer eine virtuelle Bühne, auf der ein Zombie-Ballett seltsame Verrenkungen zu einem Tanz darbot, bei dem einzelne Körperteile dem Grauen zu entfliehen versuchten.
Wenn er jetzt noch einen Chor musikalisch verkannter Dämonen hat, suche ich um Asyl im Himmel nach, schoss es mir durch den Kopf.
„Heute ist ein höllischer Feiertag“, rief Luzifer gut gelaunt, und ich konnte den Schwefelgestank
Weitere Kostenlose Bücher