Gestorben um zu leben (SPUKVERWALTUNG OHG) (German Edition)
Menschenwelt jemand vor einem bestimmten Spiegel steht, erhält Napoleon einen kleinen Ausblick, ohne jemals selbst etwas tun zu können. Ich fragte mich kurz, wo ich den Spiegel platzieren sollte, dann beschloss ich, dass die französische Regierung unbedingt ein Staatsgeschenk von einem kleinen obskuren Land in Afrika brauchte. Natürlich wusste dieses Land nicht einmal, was es da herschenkte, schließlich besitze ich die Fähigkeit, Menschen in gewissem Maße zu beeinflussen. Der glatt polierte Spiegel in einem abscheulichen Rahmen würde, wie viele andere unnütze Geschenke auch, in einem Abstellraum deponiert. Falls Napoleon Glück hatte, schaute einmal im Jahr beim Putzen jemand hinein.
Ach, Sie wünschen sich, Sie könnten das mit Ihrem Vorgesetzten machen? Glauben Sie mir, das wünsche ich mir auch.
Kapitel 7 – Alljährlicher Höllenwahnsinn
„Schon wieder ein Jahr herum.“ Ich seufzte. Das hieß, es stand wieder einmal das höllische Jahresendzeitengemeinheitswiederholungsfest an, bei dem Satan regelmäßig versuchte, sich selbst zu übertreffen. Bei den Menschen heißt es Weihnachten und treibt seltsame Blüten. Was unter dem Begriff Harmonie und Familienfest veranstaltet wird, hat gute Chancen, in unserer Unehrenhalle als beispielhaftes Benehmen ausgestellt zu werden.
Satan hatte schon seit einiger Zeit ein wahrhaft teuflisches Grinsen im Gesicht, sobald die Rede auf das Fest kam. Das war mir nicht geheuer, weniger noch als in den letzten Jahren. Es hieß also für mich, die Risikobewertungskommission zu aktivieren. Im Allgemeinen sitzen dort sehr gegensätzliche Typen – Angsthasen und Draufgänger nämlich. Wovor die einen warnen, ist für die anderen nicht einmal riskant. Also kann dabei eigentlich gar nichts herauskommen, weil die sich nie einig werden können. Hier sitzen so illustre Feiglinge und Opportunisten wie Hermann Göring, Idi Amin oder François Duvalier, der auch Papa Doc auf Haiti genannt wurde. Demgegenüber sind es die eingebildeten oder echten Helden wie Siegfried der Nibelunge, Attila der Hunnenkönig oder Lawrence von Arabien. Sie verstehen schon, was ich meine?
Es ist immer wieder erfrischend, den hier herrschenden Streitigkeiten zuzusehen und zu hören, mit welcher Kreativität Schimpfworte und Beleidigungen erfunden werden. Vom Sandkastenkriegsfanatiker über hirnloser Drachenmörder und angeberischer Ja-Sager bis hin zu sadistischer Kinderschänder, ekelerregender Menschenfresser oder Teufelsanbeter für Minderbemittelte, aber das sind noch die harmloseren Ausdrücke.
Als ich jetzt von den Herrschaften verlangte, eine Risikobewertung über das anstehende Fest zu geben, verhielten sich alle seltsam zurückhaltend. So langsam machte ich mir selbst Gedanken.
Was hatte Satan vor?
Wie immer vor dem Fest tobten die Geister durch alle Höllen auf der Suche nach wahrhaft widerlichen Überraschungen. Aufgespießte Körperteile mit unnatürlichem Eigenleben waren dabei ebenso an der Tagesordnung wie Einladungen in die „himmlischen Wartehallen“ oder Ausflüge in die Menschenwelt. In diesem Jahr nahm das allerdings überhand, und ich war gezwungen, mit Kain und Abel aufzuräumen und einige Übermütige zurückzuholen. Bei den Menschen heißt es, dass zwischen den Jahren zahllose Geister durch die weißen Nächte streifen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Ausreißer unvorsichtig waren.
Ich holte eine Horde kopflose Reiter aus Schottland zurück und eine Gruppe Poltergeister, die einen ganzen Flughafen durcheinandergewirbelt hatten. So nebenbei musste ich mich um ein paar tausend Beschwerden aus dem Fegefeuer kümmern, nichts Besonderes also.
Eigentlich sollten die Seelen nach Ablauf der Strafe automatisch ins himmlische Wartezimmer oder in einer unserer Arbeits- und Qualabteilungen verschwinden. Einige wurden auch endgültig aufgelöst, ihre Energie stabilisiert das Universum. Aber irgendwo scheint es einen Fehler zu geben, denn neuerdings stauen sich die Seelen und bilden eine nervtötende Warteschleife, allerdings ohne Ansage mit leeren Worten, wie bei den Menschen üblich.
Als ich dazukam, um den Grund für den Fehler herauszufinden, wurde ich fast überrannt. Es ist mir unangenehm, wenn Geister mich berühren, so schlug ich wild um mich und brüllte nach Kain und Abel. Meine tumben Skelette drängten die aufgeregten Seelen beiseite.
„Was ist hier los?“, wollte ich wissen und schaute mich um. Das Fegefeuer war gut geschürt, ich hörte das gequälte
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