Gestorben um zu leben (SPUKVERWALTUNG OHG) (German Edition)
Vortrag darüber, wie wichtig es wäre, die absolute Wahrheit zu erfahren, das ginge nur durch eine intensive Befragung.
„Dafür brauchst du nicht solch eine Menge Zeugen“, unterbrach ich ihn schroff.
Cicero blickte mich verständnislos an. „Wie willst du sonst die Wahrheit finden?“
„Verstehst du jetzt, was ich meine?“, mischte sich Napoleon erneut ungefragt ein.
„Was willst du denn schon wieder?“, fauchte ich ihn an. „Solltest du nicht mit deinen Zinnsoldaten den Nordpol erobern?“
„Ich bin ein Genie, Madame, Zinnsoldaten sind unter meiner Würde. Meine Fähigkeiten waren bereits zu meinen Lebzeiten verschwendet. Denken Sie nur an die Zeit meines Exils auf Elba und Sankt Helena ...“
„Ich denke gerade daran, dich erneut zu verbannen – ans Ende der Warteschlange“, gab ich zurück. „Wenn du glaubst, einen Anspruch auf späte Rache zu haben, wirst du genau so lange warten, bis du an der Reihe bist.“
Er war ganz gekränkte Eitelkeit. „Ich werde es erwägen, Sie ebenfalls auf meine Liste für späte Rache zu setzen“, erklärte er beleidigt.
„Ich bitte darum, und jetzt verschwinde“, brüllte ich. „Cicero, könntest du mal die Klappe halten?“ Der hatte tatsächlich die ganze Zeit ungerührt weitergeredet. „Moment mal, was hast du da gerade gesagt?“
„Du bist ebenfalls als Zeugin geladen, immerhin warst du in einem deiner Leben die Tochter des Borgia“, wiederholte er geduldig.
Jetzt explodierte ich. „Hast du noch alle Knochen im Sack?“, schrie ich ihn an. „Glaubst du ernsthaft, ich hätte Lust oder gar Zeit, mich hierherzustellen und Fragen zu beantworten, die alle längst geklärt sind? Du kannst die Archive der Ultimativen Wahrheit aufschlagen, da stehen alle Tatsachen drin. Und die hat niemand geschönt“, fügte ich süffisant hinzu.
„Darin gebe ich dir Recht, alle Tatsachen wurden darin verzeichnet, doch die Gründe, warum du zum Beispiel so bereitwillig den Wünschen deines Vaters gefolgt bist, gehen daraus nicht hervor. Im Übrigen hat diese Arbeit nichts mit Lust zu tun, wie du sehr wohl weißt. Ich würde auch lieber ein paar Abhandlungen über die Herrscher in der Menschenwelt verfassen. Stattdessen muss ich den ungeliebten Beruf als Anwalt fortführen.“
„Die Hölle ist kein Wunschkonzert.“ Ich grinste plötzlich. „Aber du hältst tatsächlich alle anderen Kläger auf. Das geht nicht, ihr müsst schneller vorankommen. Ich mache dir einen Vorschlag. Du stellst mir deine Fragen, die Gegenseite ebenso, falls es überhaupt noch Fragen gibt, und dann soll Rasputin ein Urteil sprechen, damit ist die Angelegenheit erledigt. Das sollte nicht länger als einige Minuten dauern.“
„Ich lehne diesen Richter ab.“
„Wie schön für dich, du bist schließlich nicht hier, um zufrieden zu sein. – Bist du jetzt einverstanden, oder soll ich den Prozess selbst auflösen?“
Cicero zögerte noch immer, das hatte er auch schon im Leben getan, daran war er letztendlich gescheitert.
„Wie lange willst du noch auf eine Antwort warten?“
„Napoleon“, sagte ich leise und warf dem aufdringlichen Kaiser, der schon wieder ungefragt auftauchte, einen wütenden Blick zu. „Was willst du schon wieder?“
„Ich habe gerade beschlossen, mich selbst vor Gericht zu vertreten.“
„Und ich habe gerade beschlossen, dich auf dem Teppich des Satans zu vertreten ... als Fußmatte.“ Schwupps, er war wieder weg.
„Kain, Abel, herkommen!“ Meine Knochengestelle erschienen aus dem Nichts, ich fragte nicht, wo sie wieder herumgestanden hatten. „Cicero hat eine Ehrenrunde im Fegefeuer ...“
„Nein, warte“, sagte der rasch. „Ich bin natürlich mit deinem überaus klugen Vorschlag einverstanden.“
Ich deutete mit dem Zeigefinger auf die Felsen über uns, die beiden Skelette blieben da oben hängen wie angeklebt und standen so nicht im Wege. Cicero brachte zur Sprache, dass ich vor dem Gerichtshof zu knien hätte, eine unerhörte Zumutung, die ich natürlich ablehnte. Aus dem Nichts erschien der Tisch des Richters, rechts die Bank des Angeklagten mit Rodrigo Borgia und Machiavelli, der mich gequält anstarrte.
Nun, auch in dieser Funktion blieb ihm nichts erspart. Unzählige kleine Blutsauger hatten sich auf dem ganzen Körper niedergelassen und quälten ihn mit Bissen und Stichen, er litt tatsächlich Höllenqualen. Links des Richtertisches war der Kläger della Rovere, auch ein sehr netter Zeitgenosse, dem Satan die Stimme genommen hatte.
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