Gestorben um zu leben (SPUKVERWALTUNG OHG) (German Edition)
schon lange nicht mehr ein so interessantes Gespräch geführt. Das würde er gern wiederholen. Dann fragte er, ob ich wiederkommen würde, wenn er noch einmal einen Selbstmordversuch unternimmt. Das habe ich bejaht, schließlich bin ich der Tod. Daraufhin hat er diesen Selbstmord verschoben. Ich muss übrigens sagen, auch ich habe schon lange nicht mehr so angeregt diskutiert. Es war eine tolle neue Erfahrung.“
„Das war alles?“, fragte ich trügerisch sanft.
Unglaublich, es sah aus, als ob der Tod lächelte, aus seinen Augenhöhlen strahlte goldenes Licht und brach sich auf der Schneide seiner Sense. „Nicht ganz“, gestand er ein. „Wir haben uns tatsächlich für heute Nacht verabredet, wenn er den nächsten Suizidversuch macht. Samtara, ich glaube, ich habe ein Date, und ich bin richtig aufgeregt.“
Kann es sein, dass die Hölle langsam zu einer Irrenanstalt wird? Vielleicht sollte ich doch die Seiten wechseln, wenn selbst der Tod plötzlich erotische Gefühle für einen Menschen entwickelte.
„Der Engel des Todes hat auf dem Dienstweg Beschwerde gegen dich eingelegt“, klärte ich ihn auf.
„Oh, das ist nicht gut, nein?“
„Nein, verdammt, es ist nicht gut und sieht auch nicht gut aus“, brüllte ich. „Du bist der Tod, du hast die Aufgaben aus dem Buch der Lebensläufe zu erfüllen. Das heißt nichts anderes, als dass du die Seelen der Menschen in Empfang zu nehmen hast. Was fällt dir ein, stattdessen eine Beziehung zu einem Lebenden anzufangen? Du hast ein Date? Ja, ganz bestimmt hast du eines. Mit der Innenrevision, mit Erzengel Michael und mit mir. Wenn du Pech hast, wirst du deinen schwarzen Umhang ausziehen und die Sense zurückgeben müssen. Hat man sowas schon mal gehört? Der Tod lässt einen Menschen leben, weil er sich gut mit ihm unterhalten hat.“
Er senkte den Kopf und wirkte zerknirscht. „Ich habe befürchtet, dass du mich nicht verstehst. Aber schau mal, ich bin seit Jahrtausenden unterwegs, um das Leben zu nehmen, ich habe keinen Partner an meiner Seite, bei dem ich mich aussprechen könnte; niemanden, der mich versteht oder mich etwas ablenken könnte. Und dann ist da dieser Mann, der ähnlich einsam lebt – und plötzlich hat es wie ein Blitz zwischen uns eingeschlagen.“
„Sieh dich vor, dass nicht des Teufels Schwanzspitze zwischen euch einschlägt“, warnte ich, seufzte dann aber. „Ich versuche, dich zu verstehen, und vielleicht hätten wir eine einfache Lösung finden können, wenn du früher mal etwas gesagt hättest. Aber der Engel hat das offiziell gemacht, wir sind gezwungen, den Dienstweg einzuhalten. Also werden wir erst mal ein Protokoll schreiben ...“
Er legte unvermittelt eine Hand auf meinen Arm, ich spürte eine Kälte, die schlimmer war als das höllische Feuer.
„Kannst du mir helfen?“, fragte er bittend.
„Wie kommst du auf die absurde Idee, ich könnte ...?“
Aus den Augenhöhlen leuchtete mir dunkles Orange entgegen, er flehte mich förmlich an. Vielleicht sollte ich mir ein Schild vor mein Büro hängen: Leiterin der Abteilung für durchgeknallte Wesen der übernatürlichen Art.
Aber wer könnte diesem Blick widerstehen?
„Ich werde sehen, was ich tun kann“, murmelte ich.
Da richtete er sich auf und wirkte regelrecht vergnügt.
*
Damit auf dem Dienstweg alles seine Richtigkeit hatte, fertigte ich das Protokoll an und traf mich mit Michael.
„Kannst du deinen Kollegen dazu bewegen, den Antrag zurückzuziehen?“, fragte ich ihn.
„Höchst unwahrscheinlich“, gab er zurück. „Warum sollte er das auch tun? Es handelt sich eindeutig um ein Fehlverhalten des Todes.“
„Das aber nur zu verständlich ist, wenn man die emotionale Lage des Todes bedenkt. Schließlich heißt es doch bei euch, dass die Liebe das Höchste ist“, warf ich ein. „Im Übrigen bist du es doch, der dauernd die Worte Vergebung und Liebe im Mund führt. Jetzt wäre der Zeitpunkt, diese Begriffe mal mit Inhalt zu füllen.“
„Das werden weder dein noch mein Chef zulassen. Schließlich muss alles seine Ordnung haben.“
„Ja, ich verstehe, Hauptsache, der Dienstweg wird eingehalten und alle Vorschriften sind erfüllt. Warum sollte sich auch jemand mal die Mühe machen, darüber nachzudenken, dass eine ungewöhnliche Situation ungewöhnliche Maßnahmen erfordert“, schnaubte ich.
„Es ist fast unmöglich, einen Lebenslauf zu ändern“, gab er weiterhin sanft zurück. „Ich verstehe deine Empörung“, unterbrach er meinen
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