Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
herausgefragt haben, dass sie bei Donatas Einbruch in Magdalena Feddersens Haus Schmiere gestanden hatte.
Sie sah auf die Uhr. In diesen Minuten begann die Pressekonferenz. Was, wenn die Öffentlichkeit falsch informiert wurde? Wenn sich später herausstellte, dass nicht Manuel Zöllner, sondern Valerie Feddersen hinter den Morden steckte? Dass sie nur deshalb ein Alibi hatte, weil Kurt Fehring ihr Komplize war? Erik hatte nicht glauben wollen, dass Valerie zu einem Mord fähig war. Würde er glauben können, dass sie fähig war, einen Mord in Auftrag zu geben? Wenn sie auch nicht die Erbin Magdalena Feddersens war, die Nutznießerin war sie auf jeden Fall und würde daher ihrem Komplizen den Lohn für den Mord zahlen können. Aber würde Erik das glauben? Mamma Carlotta schüttelte den Kopf. Vermutlich würde er dieselbe Frage stellen, mit der sie sich herumgeschlagen hatte: Was hatte der eine Mord mit dem anderen zu tun?
Sie warf Carolin einen Blick zu. Wie dumm, dass Gero Fürst die letzten Kapitel überarbeitete, statt sich mit dem Schreiben der weiteren zu beeilen. Er hatte den ersten Teil der Mordgeschichte in seinem Manuskript verraten, sicherlich würde er auch den zweiten Teil literarisch verwerten. Das war anscheinend seine Art, mit der fatalen Liebe zu einer Mörderin fertig zu werden.
Sonntag! Glockengeläut, Leere auf den Straßen trotz Hochsaison. Die Sonne heller, die Luft milder, der Wind sanfter. So hatte Erik als Kind den Sonntag erlebt, und er hatte es geschafft, sich diese Einstellung bis in die Gegenwart zu bewahren. Wenn er am Sonnabend mit dem guten Gefühl zu Bett gegangen war, am nächsten Tag ausschlafen und im Bademantel frühstücken zu können, spürte er schon beim ersten Erwachen, dass der siebte Tag der Schöpfung angebrochen war.
So auch an diesem Tag. Die Sonne leuchtete ins Zimmer, die Luft, die durchs geöffnete Fenster strömte, war mild, ein sanfter Wind blähte die Gardinen. Trotzdem hielt das gute Gefühl diesmal nicht lange. Ausgiebig im Bademantel frühstücken? Von wegen – um halb elf würde Felix’ Fußballspiel beginnen, und danach wurde die Pressekonferenz übertragen.
Erik reckte sich und rieb sich die Augen. Severin Dogas würde jetzt seine Koffer packen und versuchen, ungesehen zum Flugplatz zu kommen, wo sein Manager mit einem Piloten auf ihn wartete. Und wenn ihn dort jemand erkannte, würde er das schmerzliche Lächeln aufsetzen, das er gestern Abend auf der Pressekonferenz ausgiebig präsentiert hatte. Der gramgebeugte Vater und trauernde Ehemann, der der Öffentlichkeit dankte, weil sie Verständnis für ihn hatte und ihn nicht verurteilte, und der seine Fans bat, weiterhin zu ihm zu halten. Eine glänzende Vorstellung! Die Staatsanwältin, die zunächst den Eindruck erweckte, als hätte das lange Zusammensein mit dem Star sie ernüchtert, hatte bald wieder das Glitzern in den Augen, für das sich Erik genauso schämte, als hätte sie während der Pressekonferenz ihren Rock angehoben und sich die Schenkel gekratzt.
Severin Dogas hatte seine Rolle erfolgreich gespielt. Keiner der Pressevertreter hatte ihm unangenehme Fragen gestellt, überall hatte es nur Verständnis für seine äußerst schwierige Situation gegeben. Die Frage nach seiner Mitschuld war gar nicht aufgekommen. Der Sohn ein Betrüger und Mörder! Was gab es Schlimmeres? Severin Dogas hatte alles verloren – sein Kind, seine Frau und den Glauben an das Gute in der Welt. Undenkbar, ihm auch noch sein Image als Publikumsliebling zu nehmen! Da waren selbst die Schmierenjournalisten keine Unmenschen. Nicht einmal Menno Koopmann.
Die Staatsanwältin hatte mit geschickten Formulierungen brilliert. Erik fragte sich, wie lange sie gebraucht hatte, um sich die Antworten auf die zu erwartenden Fragen zurechtzulegen, mit denen sie zwar die Neugier befriedigte, aber stets genug Raum ließ für Korrekturen, die später womöglich nötig sein würden.
Erik erhob sich, ging zum Fenster und hielt mit geschlossenen Augen sein Gesicht der Sonne und dem Wind entgegen. Also gut, jetzt ein schnelles Frühstück, das Fußballspiel, der Sieg von Felix’ Mannschaft, dann die Fernsehübertragung, die hoffentlich keine Folgen für den Rest seines Sonntags haben würde – und schließlich ein schöner Ausflug über die Insel. Mamma Carlotta würde sich freuen, wenn er sie zu Kaffee und Kuchen in die Kupferkanne in Kampen einladen würde.
In der Küche sah es aus wie im Umkleideraum eines Fußballstadions. Auf den
Weitere Kostenlose Bücher