Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Fleck musste früher einmal etwas gewesen sein, das geblinkt und gefunkelt hatte. Carlotta war sicher, dass es sich um ein silbernes Rechteck handelte, noch ehe sie Fehrings linken Manschettenknopf gesehen hatte, der unversehrt war.
»Nimm dir ein Beispiel an deinem Vater«, sagte Mamma Carlotta. »Der ist kein bisschen aufgeregt.«
»Der ist nie aufgeregt«, gab Felix zurück. »Außerdem ist so eine Pressekonferenz nicht halb so spannend wie ein Fußballspiel.«
»Aber die Pressekonferenz wird morgen im Fernsehen übertragen.«
Selbst diesen Einwand ließ Felix nicht gelten. »Wenn ich bei Schalke spiele, bin ich auch im Fernsehen. Ob die Spiele in Italien übertragen werden?«
Mamma Carlotta glaubte es nicht, hielt es aber für möglich, dass Inter Mailand den Schalkern bald ein Angebot machen und den Stürmer Felix Wolf abwerben würde. »Und dann kann ich dich im Fernsehen bewundern.«
Diese Aussicht gefiel Felix, die Sorge verschwand aus seinen dunklen Augen. »Ich darf nur nicht Willi vergessen.«
Willi war ein Stoffhase, den seine Mutter ihm vor Jahren ins Osternest gesetzt hatte und der seitdem dafür sorgte, dass Felix auch das Unmögliche gelang, dass er für einen Vokabeltest eine gute Note bekam oder den Mut fand, ein Mädchen ins Kino einzuladen. Dass Willi schon oft versagt hatte, änderte nichts daran, dass Felix ihn für seinen Glücksbringer hielt.
»Vor allem darfst du nicht vergessen, früh ins Bett zu gehen«, mahnte seine Großmutter. »Fußballspieler müssen ausgeschlafen sein.«
Ausnahmsweise hatte Felix nichts dagegen einzuwenden, da er am Vortag in einer Sportzeitschrift gelesen hatte, dass Maradona zu seinen Glanzzeiten vor jedem Spiel zwölf Stunden geschlafen und immer dann, wenn er mit elf Stunden auskommen musste, kein Tor geschossen hatte.
»Ihr müsst immer ganz laut schreien, wenn ich am Ball bin«, schärfte Felix seiner Großmutter ein. »Und wenn ich ein Tor geschossen habe, muss eine La-Ola-Welle kommen.«
Doch Mamma Carlotta kam gar nicht mehr dazu, ihm etwas versprechen zu müssen, denn in diesem Moment klappte die Haustür.
»Endlich, Carolina! Es wird schon bald dunkel! Wie konnte Gero Fürst dich so lange dabehalten?«
Carolin sah müde aus. Mit einem kleinen Lächeln ging sie an Mamma Carlotta vorbei in die Küche. »Er will die letzten Kapitel umschreiben. Plötzlich ist er nicht mehr zufrieden. Ich muss sogar morgen früh zu ihm kommen.«
»Das geht nicht!«, schrie Felix. »Morgen ist mein Fußballspiel. Wir brauchen jeden Zuschauer!«
Carolin seufzte. »Tut mir leid, aber der Job geht vor.« Sie setzte sich an den Tisch mit der wichtigen Miene derer, die von schwerer Arbeit heimkehren und eine gute Behandlung erwarten. »Er sagt, du hast ihm frische Antipasti versprochen«, ermahnte sie ihre Großmutter. »Die soll ich morgen mitbringen.«
»Madonna!« Mamma Carlotta fuhr in die Höhe und riss die Kühlschranktür auf. »Daran habe ich nicht gedacht. Feinkost Meyer hat schon geschlossen. Was mache ich nur? Es ist aber auch ein Kreuz auf dieser Insel! Ständig passiert was, was mich am Kochen hindert!«
Erleichtert seufzte sie auf, als sich eine Aubergine, drei Zucchini, eine Handvoll Kirschtomaten und einige Langusten fanden. »Das reicht! Der Schriftsteller wird zufrieden sein.«
Im Nu verbreitete sich in der Küche der Duft von Knoblauchzehen, frischem Olivenöl und Balsamico. Zu den Wohlgerüchen gesellten sich Wohllaute: das Schmurgeln und Zischen, das Rühren und Hacken.
Carlottas Gedanken wanderten immer wieder zu der Pressekonferenz, während sie die Zucchini in hauchdünne Scheiben schnitt und die Langusten ins Olivenöl warf. Erik hatte erklärt, dass viele Indizien gegen Manuel Zöllner sprachen und dass seine Flucht ein weiteres Indiz darstellte. Er hatte seiner Schwiegermutter sogar haarklein auseinandergesetzt, wie sich die Morde seiner Meinung nach zugetragen hatten. Aber in Carlottas Kopf hatte Valerie dazu nur höhnisch gelacht und Kurt Fehring einen müden Blick auf seinen Manschettenkopf geworfen und wiederholt, was er vor ein paar Stunden zu Carlotta gesagt hatte: »Keine Ahnung, wo ich das Ding verloren habe. Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
Carlotta wusste, wo er das silberne Rechteck verloren hatte, und sie war drauf und dran, es Erik zu erklären. Aber dann hätte sie ihm auch gestehen müssen, dass sie ein Teil des Manschettenknopfs vom Strandwärter Fietje Tiensch bekommen hatte, und am Ende würde Erik aus ihr
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