Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Stühlen Trikots, Fußballschuhe, Stirnbänder und Energy-Drinks. Auf dem Tisch der Held des Spielfeldes, der sich von seiner Großmutter die Schienbeine verpflastern ließ, damit die Fouls der Gegner keine Wirkung haben würden, neben ihm ein urgesundes Müsli und frisch gepresster Orangensaft. Mamma Carlotta wollte anscheinend nicht schuld daran sein, wenn aus dem Sieg nichts wurde.
Erik sah sich um. »Wo ist Carolin?«
»Die ist schon zu Gero Fürst aufgebrochen.«
Erik öffnete den Kühlschrank. »Und wo sind die Antipasti, die du gestern Abend eingelegt hast?«
Mamma Carlotta beugte sich tiefer über Felix’ Schienbeine. »Carolina wollte den Schriftsteller damit überraschen. Sie sagt, ihm geht es zurzeit nicht so gut, weil er die letzten Kapitel umschreiben muss. Und da dachte ich …«
Was sie gedacht hatte, führte sie nicht aus. Erik war es auch gleichgültig. »Da muss er mit deinen Antipasti getröstet werden? Ich hatte mich so darauf gefreut.«
»Ich mache dir Rührei mit Schinken«, bot Mamma Carlotta eilfertig an und scheuchte Felix vom Tisch. »Du musst Carolina verstehen. Sie möchte, dass Gero Fürst sie in guter Erinnerung behält. Vielleicht kann er ihr später helfen, wenn sie ihren ersten Roman schreibt.«
Erik sah seine Schwiegermutter skeptisch an. Meinte sie wirklich, was sie da sagte? Gutgläubig hatte er sie oft erlebt, bisweilen auch naiv, aber dumm war sie nicht. Glaubte sie allen Ernstes, dass ein paar Antipasti Carolins Karriere fördern würden? Und vor allem – glaubte sie, dass der Beruf der Schriftstellerin für ihre Enkelin geeignet war?
»Carolin soll keinen Roman schreiben, sondern erst mal ihr Abi machen«, knurrte er. »Ich glaube, dieser Ferienjob setzt ihr nur Flausen in den Kopf. Ich werde mit ihr reden. Am besten, sie kündigt den Job wieder.«
»Gero Fürst hat einen verletzten Arm«, gab Mamma Carlotta zu bedenken und schlug die Eier in die Pfanne.
»Irgendwann wird er ja verheilt sein!« Von da an war Erik der Sonntag verdorben. Ein Schriftsteller aß seine Antipasti! Fehlte nur noch, dass Felix’ Mannschaft das Spiel verlor und nach der Übertragung der Pressekonferenz sein Telefon nicht stillstand. Dann konnte er diesen Sonntag vollends vergessen!
»Ich muss schon eine Stunde vor Spielbeginn da sein«, sagte Felix. »Mathis will uns noch psychologisch einstellen.«
Erik sah auf die Uhr. »Dann müssen wir ja schon in einer halben Stunde los!«
»Du hast versprochen, mich mit dem Auto zum Fußballplatz zu fahren. Damit ich frisch bin, wenn das Spiel angepfiffen wird.«
»Es ist Sonntag – und ich darf nicht mal in Ruhe frühstücken? Was heißt überhaupt ›psychologisch einstellen‹? Hat Mathis vergessen, dass ihr keine Profifußballer seid?«
Damit war klar: Dieser Sonntag war nicht zu retten. Erik rechnete fest damit, dass am Nachmittag Überraschungsbesuch vor der Tür stehen oder ein Gewitter mit Sturm und Regen den Ausflug nach Kampen zunichtemachen würde. Dass seine Schwiegermutter sich beeilte, ihm ein gutes Frühstück zu servieren, konnte ihn nicht mehr fröhlich stimmen. Auch nicht, dass sie anbot, mit dem Fahrrad zum Fußballplatz nachzukommen. »Dann kann ich hier erst aufräumen und das Mittagessen vorbereiten. Sollte ich nicht pünktlich zum Anpfiff da sein, macht das doch nichts. Es wird schon nicht gleich in den ersten Minuten ein Tor fallen.«
Nein, Eriks Laune war dahin. Und das, obwohl die Mordfälle geklärt waren, ein dampfendes Rührei vor ihm stand und ein gutes Mittagessen vorbereitet wurde. Er war wütend und wusste eigentlich gar nicht genau, warum.
Das Westerländer Sylt-Stadion lag in der Nähe des Strandes, direkt neben dem Aquarium. Ein Dünenstadion, in dem das Meer zu hören, zu riechen und zu schmecken war, in dem der Wind manchmal der stärkste Gegner der Spieler war.
Mathis stand in der Tür des Vereinsgebäudes und sah jedem Sylter Lümmel mit strenger Miene entgegen, auch denen, die pünktlich waren, damit sie nicht vergaßen, was ihnen blühte, wenn sie einmal unpünktlich sein sollten. Erik wunderte sich wieder einmal, wie Mathis es schaffte, die Jungs für den Sport zu begeistern. Er selbst hätte bei seinem Sohn mit dieser Strenge nichts erreicht, Mathis’ Forderungen dagegen kam Felix nach, ohne zu murren.
»Mathis hat gesagt, ohne Disziplin gibt es keinen Erfolg.«
Als sein Vater diesen Satz in abgewandelter Form vorgebracht hatte, um Felix zum sorgfältigeren Umgang mit seinen Hausaufgaben zu
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