Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
bewegen, hatte er blanke Empörung geerntet. Wirklich erstaunlich, Mathis’ Autorität! Er schaffte es sogar, seinen Stiefsohn Ole mit der gleichen Konsequenz zu behandeln wie alle anderen Spieler. Wahrscheinlich hatte Mamma Carlotta recht. Mathis war deswegen so ein düsterer Mann, weil er unglücklich war – mit seinem Leben, seinem finanziellen Desaster und seiner Ehe.
Gemächlich wanderte Erik am Rand des Spielfelds entlang und setzte sich schließlich auf eine der Bänke, die von einer gläsernen Wand vor dem Wind geschützt wurden. Er krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch und genoss die Sonne auf seiner Haut. Ganz allmählich stellte sich das Sonntagsgefühl wieder ein. Die Stimmen der Jungen in den Umkleideräumen waren weit entfernt, auf dem Parkplatz vor dem Aquarium war es noch ruhig, die Touristen, die zum Strand unterwegs waren, nahmen einen anderen Weg.
Wieder schlug eine Autotür. Der Spieler, der von seiner Mutter gebracht wurde, war gerade noch pünktlich. Erik machte einen langen Hals. Ole war es, der auf Mathis zulief und von ihm mit einem liebevollen Griff in die Haare empfangen wurde. Valerie blieb auf dem Parkplatz neben dem Auto stehen. Mathis schien zu erwarten, dass sie zu ihm käme, doch dann merkte er wohl, dass er vergeblich wartete, drehte sich um und ging ins Gebäude zu seiner Mannschaft.
Valerie sah sich um, aber ihr Blick wanderte nicht so weit, dass sie Erik entdeckte. Sie ging vor ihrem Wagen hin und her, schaute in den Himmel, nahm die Sonnenbrille von ihren Haaren und setzte sie auf die Nase. Valerie trug weiße Bermudas und ein schwarz-weiß gemustertes Top, dazu weiße Leinenturnschuhe. Ihre langen blonden Haare wurden im Nacken von einer gemusterten Spange zusammengehalten. Erik dachte an Carolins Gummiband und nahm sich vor, seiner Tochter bei nächster Gelegenheit eine ähnliche Haarspange zu schenken.
Gerade als Erik aufstand, um zu Valerie zu gehen, bemerkte er, wie sie plötzlich den Kopf reckte und eine angestrengte Haltung einnahm. Hinter dem Gebäude gab es etwas, was ihr Interesse erregte. Während Erik den Vorplatz des Vereinsgebäudes überquerte, verschwand Valerie hinter dem Haus, und kurz darauf hörte Erik ihre Stimme: »Was machen Sie hier?«
Erik blieb stehen. Er wollte die Stunde, bis das Spiel begann, auf angenehme Weise im Gespräch verbringen. Nun aber hatte Valerie anscheinend einen Bekannten getroffen, und eine Unterhaltung zu dritt wollte Erik nicht.
Er ging zurück zum Spielfeldrand, blickte von einem Tor zum anderen, dann wusste er, dass er sich geirrt hatte. Nein, ein Bekannter konnte es nicht sein, den Valerie angesprochen hatte. Dann wäre sie freundlich gewesen, verbindlich. Aber ihr Tonfall war aggressiv gewesen, ärgerlich und herausfordernd. Hatte sie am Ende jemanden hinter dem Haus gesehen, der dort etwas tat, was ihn, den Polizeibeamten, interessieren sollte? Ein Spanner, der versuchte, in die Umkleidekabinen zu blicken? Fietje Tiensch vielleicht, der es einfach nicht lassen konnte? Oder ein potenzieller Dieb, der die Vereinsräume auskundschaftete, um später, während des Spiels, die Sporttaschen und Kleidungsstücke zu durchsuchen?
Erik drehte sich wieder um und ging mit großen Schritten zurück. In den Umkleideräumen lärmten die Spieler, trotzdem konnte er Valeries Stimme gut verstehen.
»Mein Mann muss sich um seine Mannschaft kümmern! Lassen Sie ihn gefälligst in Ruhe!«
Erik bog um die Ecke des Gebäudes. Valerie hatte sich vor einem Mann aufgebaut, der in diesem Augenblick genervt den Blick zum Himmel drehte. »Warum soll ich mir von Ihnen Vorschriften machen lassen?«
Erik zog sich blitzartig zurück. Er hatte Glück, niemand hatte ihn bemerkt. Direkt an der Mauerkante blieb er stehen und presste sich gegen die Wand. Hoffentlich beobachtete ihn niemand! Es würde einen verdammt schlechten Eindruck machen, wenn Kriminalhauptkommissar Wolf beim Lauschen erwischt wurde.
»Ich will nicht, dass Sie mit ihm reden«, sagte sie jetzt, leise zwar, aber in einem derart scharfen Ton, dass sie mühelos zu verstehen war. »Ich warne Sie! Es gibt eine Vereinbarung, mehr können Sie nicht erwarten. Und mehr kriegen Sie auch nicht.«
Schritte knirschten, und Erik zog sich eilig zurück. Er ließ sich auf den Fahrradständer sinken und versuchte den Eindruck zu erwecken, als hockte er dort schon geraume Zeit und langweilte sich. Als Valerie zu ihm trat, erwiderte er lächelnd ihren Gruß und erhob sich. »Sollen wir den Jungs
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