Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Sechzehnjährige in einem Heim ein Baby zur Welt brachte und es zur Adoption freigab?«
»Warum ist das von Interesse?« Die Stimme der Staatsanwältin war so kalt, dass Erik trotz der Hitze zu frieren glaubte.
»Magdalena Feddersen und Donata Zöllner haben sich nicht während einer Ferienfreizeit kennengelernt, sondern in einem Heim, wo junge Mütter heimlich ihre Kinder zur Welt bringen können. Beide haben ihre Babys nach der Geburt weggegeben.«
An Eriks Ohr drang etwas, was sich anhörte wie das Rühren in einer Plastikschüssel. Die Staatsanwältin hielt den Hörer zu, ehe sie mit Severin Dogas sprach, sie schien nervös zu sein, ihre Hände waren ständig in Bewegung. Aber nur kurz, dann sagte sie mit klarer Stimme: »Nein, er wusste es nicht. Er kann es auch nicht glauben.«
»Danke«, sagte Erik, verabschiedete sich höflich und legte auf.
Mit einem Seufzen stützte er seinen rechten Arm auf, legte das Kinn in die Hand und strich mit der Linken seinen Schnauzer glatt. Gab es für Manuel Zöllner nicht auch andere Gründe zu fliehen? Nicht nur die Angst, als Mörder entlarvt zu werden, auch die Angst, in seine alte Identität zurückzumüssen, wo Verhaftung und Bestrafung auf ihn warteten. Aber warum bekannte er nicht, wo er sich in der vergangenen Woche aufgehalten hatte? Wollte er tatsächlich eine Frau schützen, die mit einem einflussreichen Politiker verheiratet war? Oder sich selbst, weil dieser Politiker es nicht hinnehmen würde, dass jemand ihm seine Frau ausspannte?
Erik schüttelte den Kopf, um hinter seiner Stirn für Klarheit zu sorgen. Dann griff er nach seinem Lieblingskuli, den er immer benutzte, wenn er auf ein Blatt Papier den Namen des Täters schrieb und um ihn herum einen Kreis der Indizien anordnete, die für oder gegen ihn sprachen.
Wenig später streckte Sören den Kopf ins Zimmer. »Anruf von Kinder + kinder! Bei Ihnen war besetzt.«
»Die Staatsanwältin«, seufzte Erik und informierte seinen Assistenten über die Pressekonferenz, die am Abend stattfinden würde.
»Muss ich da auch hin?«
Erik schüttelte den Kopf. »Es reicht, wenn ich mich über Menno Koopmann ärgere.«
Sören atmete auf. »Rosi Falk hat gesagt, das sie uns vielleicht doch noch den Namen nennen kann. Sie wissen schon – den Namen des Mannes, der glaubt, dass Magdalena Feddersen seine Mutter ist.«
Erik fühlte sich mit einem Mal frisch und energiegeladen. »Das ist ja großartig!«
»Sie weiß, welche Kollegin den Anruf entgegengenommen hat, und hält es für möglich, dass die sich an seinen Namen erinnern kann. Aber die Kollegin hat Urlaub und ist zurzeit nicht zu erreichen. Frau Falk meldet sich wieder, wenn sie mehr weiß.«
Frische und Energie fielen wieder von Erik ab. »Wahrscheinlich spielt das überhaupt keine Rolle mehr. Aber wenn die nette Frau Falk schon so freundlich ist, werden wir so tun, als hätte sie uns geholfen. Man muss dafür sorgen, dass der Bürger motiviert ist, der Polizei zur Seite zu stehen.«
»Ja, es spricht wirklich alles dafür, dass Manuel Zöllner der Täter ist. Morgen können wir es im Fernsehen sehen und am Montag in allen Zeitungen lesen.«
»Trotzdem wäre es mir lieber«, ergänzte Erik, »wenn wir sein Geständnis hätten.«
Als Sören gegangen war, fiel Erik ein, dass er noch immer nicht Valeries Geburtsdatum kannte. Er war froh, dass es jetzt keine Rolle mehr spielte. Valerie Feddersen als Mörderin zu verhaften – was für eine schreckliche Vorstellung!
Tove hatte seinen Imbiss kurzerhand geschlossen und ein Schild an die Tür gehängt: Bin gleich wieder da! Obwohl er mit Carlotta allein war, flüsterte er. »Sie meinen also, Valerie Feddersen ist die Tochter von der Tante ihres Mannes? Dann wären die beiden ja Cousin und Cousine! Und um ihr heimzuzahlen, was sie ihr angetan hat, hat sie sie erschlagen.«
»Genau!« Mamma Carlotta fühlte sich sehr sicher. »Vorher hat sie sich eine Weile mit ihr auseinandergesetzt, so wie Gero Fürst es in seinem Roman beschrieben hat. Sie wollte ihre Mutter kennenlernen, aber nicht persönlich, weil sie nicht Gefahr laufen wollte, sie zu lieben. Sie wollte Rache, keine Liebe. Deswegen ist sie heimlich in ihr Haus eingestiegen, hat den Vino getrunken, den auch ihre Mutter getrunken hat, hat von ihrer Wurst gegessen, hat ihren Puder benutzt und ihr Parfüm.«
»Und dann hat sie sie umgebracht.«
»Sì!«
Vor der geschlossenen Tür tröstete eine Mutter ihr Kind, das auf ein Eis gehofft hatte. Ein Auto fuhr
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