Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
auf ein niedriges dunkelrotes Gestrüpp.
»Dunkelrot.«
»Kommt es dir so vor, als wäre dein Gesichtsfeld geschrumpft?«
»Nein.«
»Wo sind wir?«
»Am Sofavatn. Karl, es geht mir gut.« Sie stand auf und schritt mit winzigen Tippelschritten, indem sie immer einen Fuß so dicht vor den anderen setzte, dass ihre Fußspitzen ihre Fersen berührten, eine unsichtbare Linie ab. Dann drehte sie sich um und ging die gleiche Strecke zurück. Sie zuckte die Achseln. »Was könnte ich sonst noch machen, um dir zu zeigen, dass mit mir alles in Ord nung ist? Ich fühle mich gut.«
Schon das allein beunruhigte ihn ein wenig. Glücks- und Schwindelgefühle – oder zumindest so etwas Ähnliches wie eine durch Alkohol verursachte Heiterkeit – konnten Symptome sein, die auf eine Unterversorgung des Hirns mit Sauerstoff hindeuteten. Und er hatte keine Ahnung, welche Wirkung das Gas selbst hervorrief. Inhalationen führten zu frustrierend ungenauen Ergebnissen. Eine Dosis, die auf eine Person keinerlei Wirkung hatte, konnte eine andere umhauen.
Doch Bera beharrte darauf, dass mit ihr alles in Ordnung wäre, und Karl hatte keine Möglichkeit, das Gegenteil zu beweisen. Also zuckte er im Geist die Achseln, holte die Pferde und versuchte, sich durch Beras vehemente Reaktion auf die Mund-zu-Mund-Beatmung nicht verletzt zu fühlen.
Er reichte ihr Teiturs Zügel.
»Danke«, murmelte sie, ohne zu ihm aufzusehen.
Karl seufzte. »Ich nehme an, dass du vergewaltigt worden bist, Bera. Und was auch immer genau passiert ist, es tut mir wirklich, wirklich sehr leid.«
»Ich möchte nicht darüber sprechen«, sagte sie leise.
»Aber ich werde nicht einfach unsere ganze Reise über Vermutungen darüber anstellen können, was du als Belästigung oder Zudringlichkeit interpretieren könntest«, stellte er klar. »Du musst dein Trauma irgendwie verarbeiten.«
»Du hättest mir einfach rhythmisch auf den Brustkorb drücken können, um meinen Atemreflex auszulösen, eine Brustmassage …«
»Dann hättest du mir garantiert vorgeworfen, ich hätte deine Titten befummelt!«
Bera öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder, den Blick noch immer abgewandt.
»Habe ich nicht recht?«, hakte Karl nach, wobei er sich bemühte, die Frage so sanft wie möglich klingen zu lassen. »Nicht, dass es da viel zu fummeln gegeben hätte«, fügte er mit gespielter Boshaftigkeit hinzu. »So flach wie ein Pfannkuchen …«
»Oi!« Bera ballte die freie Hand zur Faust und boxte Karl in die Schulter. »Das ist nicht wahr!« Sie schielte an sich herab. »Oder etwa doch? Ich habe eigentlich immer gedacht, ich wäre ganz gut …«
»Oh, machst du dir jetzt wirklich Sorgen, dass dein poten zieller Vergewaltiger deine Brüste zu klein finden könnte?«
Beras Lachen klang fast wie ein nervöses Schluchzen. Ohne die Zügel loszulassen, pulte sie mit den Fingern der freien Hand an einem eingerissenen Fingernagel der anderen Hand herum. »Du hast recht, was deine Vermutung betrifft, Karl, aber ich möchte trotzdem noch nicht darüber sprechen.« Plötzlich umarmte sie ihn. »Tut mir leid. Ich meine, wegen …« Genauso schnell, wie sie ihn umarmt hatte, löste sie sich wieder von ihm und verpasste ihm einen Klaps.
»Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte Karl. »Und, ja, du hast Brüste wie zwei verdammte Melonen. Es erstaunt mich, dass sogar so ein Schwachkopf wie du die Ironie nicht sofort erkannt hast.«
»Bastard!«
»Typisch Frau.« Karl schnaubte. »Muss immer das letzte Wort haben.«
Es dauerte dreißig Sekunden, bevor Bera erwiderte: »Genau.«
Eine Stunde später ritten sie langsam ein paar nicht weiter bemerkenswerte Vorberge hinauf. »Hier kommen nicht gerade viele Leute vorbei.« Bera deutete auf die flachen braunen Hügel, die fast bar jeglicher Vegetation waren. »Sollten wir also in Schwierigkeiten geraten …«
»Und inwiefern unterscheidet sich das jetzt von dem Weg, den wir bisher zurückgelegt haben?«, fragte Karl mit gespielter Verblüffung.
Bera lachte, betrachtete misstrauisch ein kleines Geschöpf, das über den Boden huschte, und entspannte sich wieder. »Es ist ungefährlich.«
»Aber war es vielleicht essbar?«, erkundigte sich Karl. »Wir wollen schließlich nicht, dass du abmagerst.«
»Ich bräuchte schon etwas Größeres als das, um satt zu werden«, erwiderte Bera. Sie lächelte. »Es ist weder ge fährlich noch essbar, also uninteressant. Zumindest was mich betrifft.«
»Hmm …«, machte Karl. »Das klingt fast wie
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