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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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streifte schließlich die äußerste Lage ab, als die Sonnen höher in den Himmel stiegen und die Luft fast über den Gefrierpunkt hinaus erwärmten. Selbst auf dieser gefrorenen halbwüstenartigen Welt gab es überall zumindest Spuren von Wasser, nur eben leider nicht genug, um reichhaltigeres Leben gedeihen zu lassen.
    Der Fluch Isheimurs, dachte Karl. Von allem stets etwas zu wenig, so müsste Isheimurs Mantra lauten: nur etwas zu wenig Gravitation, um permanent eine ausreichend dichte Atmosphäre festzuhalten, nicht genug Kohlendioxid, um die Wärme zu speichern, zu wenig Wasser für eine flächendeckende Besiedelung des Planeten. Die Werte mochten nur um Bruchteile von den benötigten Parametern abweichen, aber es waren eben diese Bruchteile, die die Nachkommen der Siedler letztendlich umbringen würden.
    Der Vormittag verstrich ereignislos.
    Der sich schlängelnde Pfad stieg fast unmerklich an, und so dauerte es bis zum späten Morgen, bis Karl registrierte, dass sie sich gerade einmal rund hundert Meter oberhalb des Salturvatn befanden, als er einen Blick zurück warf. Der See glitzerte im Sonnenschein. Aus dieser Entfernung gab es nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Gefahr, die an seinen Ufern lauerte.
    Bera sprach kaum ein Wort, und auch Karl ritt schweigend, während er die nähere Umgebung aufmerksam nach irgendwo lauernden Drachen und anderen potenziellen Gefahren absuchte, mit denen Isheimur noch aufwarten mochte. Doch an diesem Morgen ließen die wilden Raubtiere des Planeten die beiden Reiter in Ruhe.
    Die Sonnen standen bereits hoch am Himmel, als die sanfte Steigung in eine flache Ebene überging und sich der Weg gabelte. »Gönnen wir den Pferden eine kurze Verschnaufpause«, sagte Bera. »Nachdem wir nur noch zwei haben, müssen sie ständig die volle Last tragen.«
    »Und währenddessen können wir entscheiden, welchen Pfad wir nehmen wollen«, erwiderte Karl. »Von hier aus gesehen scheinen sie sich nicht sonderlich weit voneinander zu entfernen, aber allein die Tatsache, dass es hier überhaupt eine Weggabelung gibt, muss ja wohl einen Grund haben.«
    »Interpretier da nicht zu viel hinein.« Bera kramte in den Satteltaschen herum. »Ich hatte heute Morgen nicht viel Zeit, die Sachen ordentlich zu verstauen, also habe ich alles einfach nur reingestopft.« Kurz darauf stieß sie ein Grunzen aus. »Hah! Da ist es ja!« Sie förderte ein paar zerknitterte Blätter aus grob aussehendem grauen Papier zutage. »Ich habe einige Antworten des Orakels ausgedruckt«, erklärte sie und quittierte Karls fragenden Blick mit einem Lächeln. »Während der endlosen Schufterei in Skorradalur habe ich immer von all den Orten geträumt, die ich einmal besuchen könnte. Dadurch bin ich mir dort nicht ganz so sehr wie eine Gefangene vorgekommen. Sobald es ruhig wurde, spät in der Nacht, habe ich mich zum Orakel geschlichen. Manchmal, wenn ich nicht viel Zeit hatte, habe ich die Antworten auf meine Fragen ausgedruckt und heimlich in mein Zimmer geschmuggelt.« Sie legte die zerknautschten Seiten auf den Boden und strich sie glatt.
    Karl stellte sich vor, wie sie sich im Schein einer Kerze über die Ausdrucke beugte. Wahrscheinlicher aber war, dass sie die Karten bei natürlichem Licht betrachtet hatte, wenn seine ersten Tage in Skorradalur Rückschlüsse darauf zuließen, wie die Sommernächte auf Isheimur aussahen. »Hat denn niemand das fehlende Papier vermisst?« Sein Lächeln sollte ihr zeigen, dass er die Frage nicht ganz ernst gemeint hatte. »Ich dachte, hier würde wirklich an allem Mangel herrschen.«
    Auch wenn er nur einen Scherz hatte machen wollen, ging Bera ganz ernsthaft auf seine Bemerkung ein. »Es ist Moospapier, so oft recycelt, dass man es kaum noch verwenden kann. Und ich habe all die Jahre darauf geachtet, immer nur die schlechtesten Blätter abzuzweigen, und mich außerdem auf eine Seite pro Woche beschränkt.« Sie blickte ihm direkt in die Augen. »Hast du etwa gedacht, ich wäre erst in der letzten Zeit unglücklich geworden? Du bist nur der Anlass gewesen, auf den ich seit Jahren gewartet hatte, etwas, das mir den Mut gegeben hat, Skorradalur den Rücken zu kehren.«
    »Freut mich, dass ich behilflich sein konnte.«
    Der unausgesprochene Vorwurf ließ sie erröten. »Es war nicht alles so berechnet, wie es sich vielleicht gerade angehört hat.«
    »Vermutlich nicht«, erwiderte Karl, beschämt über seinen Mangel an Dankbarkeit. Was auch immer ihre Motive gewesen sein mögen, sie

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