Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Wasserquelle gibt, durch nichts verifizieren, meldete sich Loki erneut zu Wort. Alle Informationen, über die ich verfüge, stammen von der Kartografierung des Planeten aus der Anfangsphase des Projektes. Seither sollten die Terraformer Isheimurs Oberfläche mit einem Kometenhagel aus den äußeren Bereichen des Sonnensystems bomdardiert haben, um dadurch eine Dunstglocke zu erzeugen, die über Jahrzehnte die Eigenwärme des Planeten festhält und Kohlendioxid freisetzt. Des Weiteren müsste das in den Kometen gebundene Wasser dafür gesorgt haben, dass die von den Kolonisten ausgesäten spezialisierten Pflanzen wachsen und so die Atmosphäre mit zusätzlichem Sauerstoff anreichern konnten.
Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich das Richtige tun, dachte Karl an Loki gerichtet, sollten die Schlüsse, die wir aus der Beobachtung der Trolle gezogen haben, tatsächlich zutreffen. Wir dürfen auf keinen Fall die derzeitigen Spannungen zwischen den Pantropisten und den Terraformern außer Acht lassen. Angenommen, die Winter Song ist noch funktionsfähig und wir aktivieren ihr Notrufsignal, wird es entweder die Pantropisten herbeirufen, die den Planeten von Beras Leuten säubern könnten, oder aber die Terraformer. Und die wiederum könnten im schlimmsten Fall auf die Idee kommen, alle Hinweise auf die von ihren Vorgängern begangenen Fehler zu beseitigen, indem sie die Trolle ausrotten.
Wenn er sich doch nur hätte sicher sein können, dass er nicht lediglich einem Trugschluss aufgesessen war, der auf einer äußerst dürftigen Ausgangsbasis fußte. Der Beobachtung zweier Snawks, die sich vom Blut eines Menschen und eines Trolls ernährt hatten, sowie einer darauf aufbauenden wackligen Indizienkette.
Ungefähr eine Stunde später entdeckte er zu ihrer Rechten eine Staubwolke, die etwa einen Kilometer entfernt war. Sie bewegte sich in der gleichen Richtung, kam ihnen aber nicht näher und verschwand nach einigen Minuten hinter einer Felsensäule.
Als er den Blick hob, sah er schwarze Schemen über der Staubwolke kreisen und hörte gleichzeitig, wie Bera scharf einatmete. Er hätte sie zwar gern gefragt, was es mit den Schatten auf sich hatte, doch er spürte, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Stattdessen beobachtete er Bera unauffällig aus den Augenwinkeln heraus. Sie hockte mit hängenden Schultern auf ihrem Pferd und gab dabei ein klägliches Bild ab.
Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wie jung sie war. Auf Avalon hätte eine Frau trotz eines so mädchenhaften Aussehens bereits eine Tochter in ihrem Alter haben können. Er vergaß immer wieder, dass es für die Frauen auf Isheimur keine Verjüngungseinrichtungen gab. Sie ist fast noch ein Kind, schoss ihm durch den Kopf.
»Bera«, sagte er. Sie antwortete nicht, und er rief erneut ihren Namen. Als sie schließlich aufsah, starrte sie ihn an, als wäre er ein Fremder. Plötzlich kamen ihm all die mitfühlenden Worte, die ihm auf der Zunge lagen, unglaublich gönnerhaft vor und verwandelten sich in seinem Kopf zu leerem Gewäsch.
Sie schwieg immer noch, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Was?
»Erzähl mir von den Drachen«, bat er. Es war vermutlich besser, ihr Fragen zu stellen, statt zu versuchen, sie mit irgendwelchen Floskeln zu trösten, die ihr vielleicht nicht aufrichtig gemeint erscheinen würden. Er übersah geflissentlich, wie sie die Augen verdrehte. »Diese Staubwolke gerade, waren das Drachen?«
»Keine Ahnung«, murmelte Bera.
»Warum hast du so scharf eingeatmet, als du die schwar zen Schemen am Himmel gesehen hast?«, hakte Karl nach.
»Dauskalas«, erwiderte Bera wortkarg.
Totenernter auf Anglish, übersetzte Loki.
»Ist das etwas Böses?«
»Es sind Unglücksboten«, sagte Bera. »Aasfresser. Wir bekommen sie nur selten zu Gesicht. Es heißt, dass sie drohendes Unheil ankündigen.«
Karl nickte. Zumindest war es ihm gelungen, sie zum Reden zu bringen, auch wenn er ihr jeden einzelnen Satz aus der Nase ziehen musste. »Und was ist mit den Drachen?«, fragte er erneut. »Ich habe keinen mehr gesehen, seit diesem Biest gestern unten am See.« Es machte ihm nichts aus, den Trottel zu spielen, solange er Bera dadurch zum Weiterreden animieren konnte.
»Das ist ganz normal, und ich hätte nicht einmal damit gerechnet, dort einen vorzufinden.« Beras Stimme triefte vor Herablassung. »Man findet sie normalerweise nur in größeren Höhen. Keine Ahnung, was das Viech da unten am Salturvatn verloren hatte.«
»Oh«, machte Karl.
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