Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Kommunikation zwischen den Menschen und Coeos Volk stattgefunden hat.«
Bera seufzte. Sie wirkte beunruhigt.
»Was hast du?«, fragte Karl. »Dir ist doch gerade irgendwas eingefallen.«
»Es gibt da Erzählungen …« Bera atmete tief ein. »Es sind zwar bloß Legenden, aber …«
»Sprich weiter«, ermunterte Karl sie.
»Geschichten über Männer, die zu viel Zeit ganz allein auf den Hochweiden verbracht haben, bis sie vor Einsamkeit halb verrückt geworden sind und überzeugt waren, Stimmen im Nebel zu hören. Oder die behauptet haben, die Felsfresser hätten mit ihnen gesprochen. Manche Leute haben sich angeblich von ihrer Einsamkeit dazu verführen lassen, einheimische Pflanzen auszuprobieren. Die meisten davon bringen einen einfach um, aber einige rufen auch Halluzinationen hervor, bevor sie dich erblinden oder durchdrehen lassen. Oder beides.«
»War in einigen von diesen Legenden auch von Trollen die Rede?«, hakte Karl nach.
Bera nickte. »Und bei der Winter Song handelt es sich um einen lokalen Mythos, der seinen Ursprung nicht in irgendeiner altnordischen Sage hatte.«
Karl schwieg eine Weile, während Loki in seinen Dateien nachforschte. »Loki gibt dir recht«, sagte er schließlich. »Es existieren keine Geschichten wie die von der Winter Song in den altnordischen Legenden.«
»Die Geschichte klang poetisch genug, um von uns als Umschreibung unserer … Verdammnis betrachtet zu werden. Ich denke, so könnte man es in etwa umschreiben.«
»Eine Metapher.«
»Genau«, bestätigte Bera.
Coeo war die ganze Zeit über stumm geblieben, als hätte er ihrem Tonfall entnehmen können, dass sich ihr Gespräch um wichtige Angelegenheiten drehte, die sie dringend klären mussten. Jetzt aber beugte er sich auf Grainurs Rücken vor und zeigte mit einem Finger nach Süden.
Ihre Blicke folgten seiner ausgestreckten Hand. Der Himmel über dem Horizont hatte sich braun verfärbt. Es sah so aus, als würde er direkt in das Land übergehen. Die dunstige Wand wuchs von Minute zu Minute weiter in die Höhe und breitete sich rasend schnell nach allen Seiten hin aus.
»Staubsturm«, sagte Coeo.
»Was sollen wir tun?«, fragte Bera. Sie blickte sich suchend um, konnte aber nirgendwo irgendeinen Unterschlupf entdecken. Keiner der aus der zerfurchten Erde ragenden Felsbrocken war groß genug, um ihnen einen nennenswerten Windschatten zu bieten. »Was hat er vor?«, fügte sie hinzu.
Coeo war abgestiegen und suchte den Boden mit den Augen ab. Karl spürte die Vibration, die das Echosonar des Trolls erzeugte.
Kurz darauf klettere Coeo wieder hinter ihm auf Grainurs Rücken. »Ich führe«, sagte er. »Ihr folgt.« Er stieß dem Pony die Fersen in die Flanken. Grainur galoppierte, dicht gefolgt von Bera auf Teitur, der Staubwand entgegen, die sich bereits über den halben Himmel ausgebreitet hatte.
»In dieser Richtung ist eine andere von diesen kleinen Staubwolken, wie wir sie früher schon gesehen haben!«, rief sie. »Aber ihr reitet genau auf den Sandsturm zu! Hat der Troll den Verstand verloren?«
Vielleicht weiß er etwas, wovon wir nichts wissen, und wir sollten ihm vertrauen, dachte Karl. Doch statt zu antworten, hielt er den Blick starr auf die dunkle Wand gerichtet, die immer näher kam, und konzentrierte sich darauf, im Sattel zu bleiben. Grainur flog, von Coeo unermüdlich angetrieben, nur so dahin.
Karl fragte sich, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Einige Minuten später erhielt er eine Antwort.
Sand und vom Wind aufgewirbelte winzige Steinchen peitschten ihm ins Gesicht. Coeo bedeutete ihm mit Gesten, das Tempo zu drosseln, und Karl zügelte Grainur, bis sie nur noch trottete.
Der Troll sprang von ihrem Rücken, noch bevor sie angehalten hatte, und musterte den Boden, als suchte er etwas Bestimmtes. Die kleine Staubwolke, die Bera kurz zuvor erwähnt hatte, war verschwunden. Coeo steuerte einen Punkt etwas links von dem Punkt an, auf den sie sich zubewegt hatte, bevor sie schließlich in sich zusammengefallen war.
Wieder peitschte eine Böe Karl eine Ladung Sand ins Gesicht. Der Sturm nahm an Heftigkeit zu, und es wurde mit jeder Minute dunkler. Karl stellte seine Augen erneut auf Infrarotsicht um und versuchte, Coeo in den wirbelnden Staubschwaden auszumachen.
Da war er! Direkt neben einem etwa anderthalb Meter hohen Klotz, der Wärme ausstrahlte. Doch es war kein Felsen, sondern eine mit dichten Schuppen bedeckte Kreatur. Sie bedachte Karl einen Moment lang mit einem vorwurfsvollen Blick, bevor
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