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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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gefärbt war.«
    Bera glaubte, einen besorgten Unterton aus Ragnars Stimme herauszuhören, ohne dass sie hätte sagen können, woran es lag. War es die Farbe des Schnees oder die Tatsache, dass er sich überhaupt verfärbt hatte, die Ragnar zu schaffen machte? Ihn verunsichert zu erleben war so ungewöhnlich, dass sie ihn einfach anstarren musste.
    Als er ihren Blick bemerkte, riss er sich zusammen und wirkte sofort wieder so beherrscht und selbstsicher wie sonst immer. »Da haben wir ja auch schon jemanden, der diese Aufgabe übernehmen kann. Bera, ich brauche jemanden, der dafür sorgt, dass sich unsere neue Investition auch auszahlt. Du wirst dich um unsere neue Arbeitskraft kümmern.«
    Bera sah zu Boden und nickte stumm.
    Offenbar verwechselte Ragnar ihre Zurückhaltung mit Ablehnung, andernfalls wären seine nächsten Worte bestimmt nicht so grob verletzend ausgefallen (Jedenfalls hätte er so etwas nie gesagt, bevor du schwanger geworden bist, dachte sie). »Na, jetzt stell dich mal nicht so an, Mädchen! Freu dich drauf! Du solltest sogar dankbar dafür sein, weil du jetzt etwas hast, worüber du nachdenken kannst und was dich von deinem toten Bastard ablenkt.«
    Bera spürte, wie ihr die Tränen heiß in die Augen schossen, und so stürzte sie sich regelrecht auf die Bahre, um ihre Gefühle vor den anderen zu verbergen.
    Anscheinend hatte Ragnar trotzdem mitbekommen, wie ihre Augen feucht geworden waren, denn sie hörte ihn gedämpft stöhnen und murmeln: »Du hättest eben keine Schande über mein Haus bringen und gleich für den ersten Mann, der bereit war, deine Flachbrüstigkeit zu ignorieren, die Beine breit machen sollen. Meine geliebte Gunnhild würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie sehen könnte, was aus dir geworden ist.«
    Bera hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschrien, dass sie mit Freuden sofort nach Hause gegangen wäre, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger geworden war, wäre nicht der Vulkan auf Surtsey ausgebrochen, aber das hätte ihr auch nicht geholfen. Ihre Familie war tot, und sie musste jetzt irgendwie weiterleben.
    Also schwieg sie, zerrte stattdessen den Fremden von der Trage und zerkratzte ihm dabei versehentlich den Rücken auf dem rauen Felsboden, worauf er schreiend aus seinem komaähnlichen Zustand hochschreckte.
    »Yngi! Thorir!«, rief Ragnar. »Fasst mal mit an!«
    Die beiden Männer halfen ihr, den Fremden zurück auf die Trage zu legen und die Befestigungen der Zugstangen von den Sätteln der Pferde zu lösen. »Wo möchtest du das Ding hinhaben?«, erkundigte sich Thorir lautstark. Für Beras Geschmack stand er viel zu dicht neben ihr.
    »Schafft es zu den Tieren rein«, sagte Ragnir.
    Vor Anstrengung keuchend, hoben die Männer die Trage hoch und stapften damit zu den Ställen. Bera folgte ihnen in das warme, nach tierischen Ausdünstungen riechende Halbdunkel und ließ den Blick kurz über die Pferde schweifen, von denen drei ihr gehörten. Doch das Netz von Verpflichtungen, in das sie sich verstrickt hatte, fesselte sie zu eng an Ragnars Familie, als dass sie während ihrer Schwangerschaft auch nur gewagt hätte, von einer Flucht zu träumen.
    Ragnars Gestalt tauchte im Türrahmen auf. »Ich erwarte, dass du dich gut um ihn kümmerst.«
    Sie verzichtete auf eine Antwort.
    Nachdem er verschwunden war, zog sie Brynja unter ihrer Fellkleidung hervor. Sie weinte lautlos, während sie den Welpen an der Brustwarze, die sie letzte Nacht geschont hatte, nuckeln ließ. »Wie Romulus und Remus«, murmelte sie. »Nur genau anders herum.«
    »Hoffen wir, dass die Geschichte nicht in Tränen endet«, hörte sie Ragnars Stimme in ihrem Rücken und zuckte erschrocken zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass er noch einmal zurückgekehrt war. Glücklicherweise war er so sehr in den Anblick des Fremden im Stroh versunken, dass er den Welpen in ihren Armen übersah und wahrscheinlich annahm, ihre Bemerkung hätte sich auf den nackten Mann bezogen. Er starrte ihn weiter an, und es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Widerwillen zu verbergen. »Es ist eine isländische Tradition, Fremde zu fürchten, aber dieser kahlköpfige Mann würde mir auch Sorgen machen, wenn er kein Fremder wäre. Seine Anwesenheit bedeutet Ärger … Wir werden ihn Loki nennen. Das scheint mir ein passender Name für ihn zu sein.«
    »Ich werde mein Bestes für dich tun«, versprach Bera und drehte sich ein wenig zur Seite, um Brynja vor Ragnars Blicken zu verbergen.
    Ragnar schüttelte seine Grübeleien ab.

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