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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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bin!« Ragnar baut sich dicht vor Bera auf. Du siehst, wie sie schluckt, aber sie weicht nicht zurück. »Ich habe hart und lange gearbeitet, um mir den Respekt meiner Leute zu verdienen und zu bewahren. Ich bin es gewesen, der in der Schlacht am Giri-Pass drei Stämme der Trolle zurückgeschlagen hat. Ich habe während des Althings den Silbernen Schild gewonnen und bin mit dem legendären Egil Skallagrimsson verglichen worden.« Er lässt die Faust gegen den hölzernen Dachpfeiler der Scheune krachen, als wäre er ein Wikingerkrieger der alten Erde, der mit trotziger Herausforderung gegen seinen Schild schlägt. »Und was hast du jemals geleistet, kleines Mädchen? Außer die Beine breit zu machen, sobald dich ein Mann auch nur ansieht? Außer Schande über dich und mich zu bringen, der ich dumm genug war, dich in meinem Haus aufzunehmen? Dies wird mich lehren, laut in Gegenwart eines jungen Dings zu denken, das gar nicht versteht, was Nachdenken überhaupt heißt! Ich weiß, wer ich bin, kleines Luder … Vergiss du nur nicht, wer du bist!«
    Er stolziert davon, lässt sie zitternd in der Scheune zurück, doch als sie den Kopf hebt und dich anblickt, lodern ihre Augen triumphierend auf. »Die Gefahr, was Helden und Mythen betrifft, Loki, liegt darin, dass die Mythen den Helden manchmal realer als die Wahrheit erscheinen.«
    Als sie dich eine Weile allein lässt, kostest du das Stroh, auf dem du schläfst. Es ist beinahe ungenießbar, aber du schlingst es trotzdem hinunter, überwältigt von deinem Hunger. Kurze Zeit später kehrt sie zurück, sieht, was du tust, und schimpft mit dir. »Ich habe dir eine Extraportion Mehlsuppe mitgebracht«, fügt sie hinzu. »Das ist alles, was ich dir geben kann.«
    Du schüttest dir den größten Teil in den Mund, leerst den Teller in wenigen Sekunden und leckst ihn mit einer Hast ab, die der rationale Teil deines Verstandes als unangemessen bewertet. Unangemessen im Verhältnis wozu? Dann schnupperst du im Stroh herum und leckst die Tropfen der verschütteten Mehlsuppe von den Halmen.
    »O Loki!« Bera streicht dir sanft über den Arm. »Du musst allmählich anfangen, dich mehr wie ein Mensch als wie ein Tier zu benehmen, sonst lieferst du Ragnar alle Gründe, die er braucht, um dich loszuwerden.« Du blickst zu ihr auf und starrst ihr wie hypnotisiert ins Gesicht. »Stößt mein Aussehen sogar dich ab, mein Kind-Mann?«, fragt sie. »Oder ist es dir egal? Ihm war es egal.«
    Und plötzlich, als hätte das Essen ein wildes Tier aus seinem Schlummer geweckt, ist die Welt wieder erfüllt von Stimmen, die überwiegend bedeutungslose Sätze schreien:
    »Auf Island gedeihen keine Obstbäume …«
    »Die Menschheit hat sich in unzählige Zweige aufgespalten …«
    »Isheimurs geringe Schwerkraft und Unfähigkeit, seine Atmosphäre durch Vulkanismus mit Kohlendioxid anzureichern, machen die Kolonie suboptimal, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass die Gesellschaft ihre Investitionen wieder erwirtschaften wird …«
    Die Menschen verhalten sich dir gegenüber so, als wärst du ein Zootier. Wie Ebbe und Flut ziehen sich die Schmerzen, die die Fremdartigkeit – und ja, auch die schreckliche Schönheit – begleiten, für eine Weile zurück, bevor sie erneut die Küstenlinie deines Verstandes umspülen und du wieder unzusammenhängend vor dich hin zu plappern beginnst.
    Einer der Menschen, die dich anstarren, ist eine schwan gere Frau. Sie stößt ihre Freundin an, die deutlich älter ist. »Siehst du? Er ist besessen, quasselt Unsinn, als wäre sein Kopf voller Geister. Ich wette, er ist ein Seidr.«
    »Lass das nur nicht unseren Gothi hören«, klingt Beras Stimme von der Tür her auf. Obwohl sich ein Teil deines Verstandes immer noch im Hier und Jetzt befindet und du dir deiner Umgebung bewusst bist, hast du ihr Kommen nicht bemerkt. »Er würde dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, wenn er hört, wie du von Hexern und Geistern sprichst. Du weißt doch, wie er ist.«
    »Wer gibt dir das Recht, uns vorzuschreiben, was wir sagen dürfen, Mädchen?« Die schwangere Frau weicht zur Tür zurück. »Seine Wissenschaft versagt. Die Gründer unserer Kolonie wollten, dass wir an den alten Sitten und Gebräuchen unser Ahnen festhalten. Und dazu gehören nun einmal die altnordischen Götter und Magie.«
    »Zu den alten Gebräuchen zählen auch Geburten ohne Betäubung, Salbjerg«, sagt Bera. »Findest du, dass das eine der alten Sitten ist, zu der wir zurückkehren sollten? Unsere Gründer

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