Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Kopf. »Die anderen …« Nach einer kurzen Pause sprudelten die nächsten Worte regelrecht aus ihm hervor. »Du weißt, dass einige von Bjarneys Kindern ein bisschen abergläubisch sind. Das gilt auch für ein paar der anderen – ihr Glauben an die Wissenschaft sinkt in dem Maß, in dem uns unsere Technik im Stich lässt.«
»Was meinst du damit?«, fragte Ragnar. »Es haben schon immer Schauergeschichten über Gestaltwandler und Gespenster die Runde gemacht, aber nur weil wir die Eingeborenen Trolle und die Echsen Drachen nennen, glaubt kein Mensch wirklich, dass es Geschöpfe von Terra, also der guten alten Erde sind. Worauf willst du also hinaus, Orn?«
Mittlerweile wirkte Orn sogar noch unbehaglicher als zuvor. »Du weißt, dass der Fremde Selbstgespräche führt?«
»Na und? Das ist bei jemandem, der sich im Delirium befindet, ganz gewöhnlich.«
»Aber wenn er das tut, verändert sich seine Stimme«, sagte Orn. »Sie wird tiefer und rauer. Einige von den Kindern halten ihn für besessen. Oder sie glauben, dass er ein Seidr ist und die Gabe des Zweiten Gesichts besitzt.«
Ragnar lachte übertrieben laut. »Besessenheit? Was für ein Schwachsinn ist das denn? Als Nächstes wirst du mir noch erzählen, dass wir diesen Winter Besuch von den Yule-Jungs bekommen werden und dass die Toten aus ihren Gräbern steigen. Reiß dich zusammen!« Lachend klopfte er Orn auf die Schulter, und der bullige Mann lächelte verlegen. »Ich werde nach ihm schauen. Mal sehen, ob er versucht, uns zum Narren zu halten. Wenn es ihm gut genug geht, dass er schauspielern kann, dann kann er auch anstrengendere Arbeiten übernehmen.«
Doch als er sich, immer noch lachend, umdrehte, fröstelte er innerlich. Uns kann doch unmöglich ein Paradigmenwechsel bevorstehen, dachte er. Er hatte vom Orakel gehört, dass es Paradigmenwechsel während der Mythen vor der Langen Nacht und davor zur Zeit des Interregnums bis hin zur Morgendämmerung der Diaspora gegeben hatte. Wenn nur genug Leute ganz fest an irgendetwas Bestimmtes glaubten, konnten sich die Dinge wirklich grundsätzlich ändern.
Während Orn zu seinen improvisierten Reparaturen zurückkehrte, überquerte Ragnar den Hofplatz.
»Dein Freund folgt dir, Papa«, sagte Orn der Kleine und deutete auf das Lamm, das Ragnar wie ein kleiner Hund mit wolligem Fell hinterher trottete.
Ragnar fuhr dem Jungen mit einer Hand durch den zerzausten Haarschopf und fragte sich dabei, wo Brynja steckte und warum der kleine Welpe nicht mehr an dem Wasserhahn angeleint war. »Tiere folgen dir überall hin, wenn du sie fütterst.«
»Guten Morgen, Papa!«, schnitt Thorbjorgs schrille Stimme wie ein Messer durch seine gute Laune. Seine jüngste Schwiegertochter ging gerade über den Hof, und er hätte schwören können, dass ihr Hüftschwung etwas stärker wurde, als sie ihm ein kokettes Lächeln über die Schulter zuwarf.
Sie hatten sich nach ein paar Gläsern Hochprozentigem schon einige Male vertraulich unterhalten, zum Beispiel darüber, dass es in der Natur eines Mannes lag, seinen Samen so weit wie möglich verstreuen zu wollen, über die Behauptung des Orakels, dass Frauen von ihrer Natur her das Bedürfnis verspürten, das Kind des stärksten Mannes ihrer Sippe auszutragen. Nur belanglose Plaudereien. Er war nur einmal wirklich wütend auf sie geworden, als sie behauptet hatte, dass irgendjemand, dessen Namen sie nicht nennen wollte, gesagt hätte, Yngi könnte einen genetischen Defekt haben. Da hatte er sie an den Schultern gepackt, sie kräftig durchgeschüttelt und zu erfahren verlangt, wer derartige Behauptungen in die Welt setzte. Thorbjorg hatte nur gelächelt und sich gegen ihn sinken lassen, und auch wenn ihm diese billige Art der Anmache zuwider gewesen war, hatte er sofort die automatische Reaktion seines verräterischen Körpers auf die intime Nähe bemerkt. Daraufhin hatte er ihr mit den Worten »dem Lärm nach zu urteilen, den ihr letzte Nacht gemacht habt, hat dich das aber offensichtlich nicht gestört«, das Lächeln aus dem Gesicht gewischt.
Manchmal malte er sich aus, wie er sie als Zeichen seiner Verachtung – und um sicherzustellen, dass sie nicht von ihm schwanger wurde – in den Arsch fickte. Andererseits aber würde sie das vermutlich sogar genießen oder zumindest so tun, indem sie so viel Lärm wie möglich machte. Bei allem, was Thorbjorg tat, war stets Berechnung im Spiel, sogar – ganz besonders – beim Sex.
Ragnar zweifelte nicht daran, dass sie schwanger
Weitere Kostenlose Bücher