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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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werden würde, wenn er sie nahm. Thorbjorg war ständig schwanger. Er fragte sich nicht zum ersten Mal, ob alle ihre fünf Kinder tatsächlich von Yngi abstammten. Wenn sie sich selbst ihrem Schwiegervater anbot, mit wem sonst mochte sie es dann schon getrieben haben?
    Auch wenn er seinen jüngsten Sohn sehr liebte, war er doch erstaunt gewesen, als sich ihm Thorbjorgs Vater während des Brautmarktes genähert hatte, um ihm eine Verbindung ihrer Familien vorzuschlagen. Er war immer davon ausgegangen, dass Yngi ein sexuell enthaltsames Leben führen würde, und so hatte er seine Zweifel auf dem Markt einfach beiseitegewischt. Allerdings war er überzeugt davon, dass Thorbjorg Yngi nur geheiratet hatte, weil er der Sohn eines Gothi war und nicht etwa, weil es irgendetwas an ihm gab, das sie angezogen hatte. Andererseits spielte das Aussehen eines Mannes im Dunk len keine Rolle …
    Wäre Yngi der Sohn anderer Eltern gewesen, hätte man ihn wahrscheinlich nach seiner Geburt in den Bergen ausgesetzt. Das entsprach zwar nicht isländischen Traditionen, doch die Isheimurer verwandten keine Zeit auf Sentimentalitäten. Wenn sie, von großspurigen Reden einmal abgesehen, auch keine Eugenik oder echte Kindestötungen praktizierten, konnten sie es sich dennoch nicht leisten, ihren Genpool zu sehr zu schwächen. Die Götter wussten, dass es ihnen schon genug Probleme bereitete, den allmählichen Niedergang aufzuhalten, der aus einer zu geringen Bevölkerungszahl sowie unzureichender Ernährung und begrenzten medizinischen Ressourcen resultierte.
    Irgendwann wurde Ragnar bewusst, dass er mitten auf dem Hof stehen geblieben war und – zu Thorbjorgs unverkennbarer Belustigung – Löcher in die Luft starrte. Dann kann ich auch gleich noch einen draufsetzen, dachte er, warf sich in Positur und deklamierte:
    »Was willst du mit diesem Sack voller Knochen?
    Alte Wölfe brauchen kein warmes Fleisch,
    wenn altes und kaltes Fleisch ihnen auch genügt:
    Da fache ich doch lieber mein Herdfeuer an.«
    Die indirekte Beleidigung ließ Thorbjorg erröten und trieb sie in die Flucht.
    Ragnar setzte sich kichernd wieder in Bewegung, doch als er sich dem Stall näherte, verflüchtigte sich seine gute Laune schlagartig.
    Da die Tiere zurzeit noch unter Aufsicht der Hirten im Freien grasten, war der Stall leer. Der Fremde lag dösend in einer Ecke auf dem Stroh, während Bera, die neben ihm hockte, einheimische Rüben schälte, die mehr nach Seife als nach Rüben schmeckten.
    Zwei Tage nach seinem Erwachen machte der Fremde einen schlechteren Eindruck, als hätte ihn die Anstrengung ausgelaugt. Immerhin hatte er zumindest ein ganz klein wenig Farbe gewonnen.
    Bera nickte ihm zu, ohne den Kopf zu heben, und Ragnar ließ sich Zeit, um das Gesicht des Sternenmannes ausgiebig zu betrachten.
    Obwohl er krank und verletzt war, sah der Mann so übermenschlich schön aus, dass er auf Ragnar nahezu gottgleich wirkte. Der Gothi spürte ein ungewohntes Gefühl in sich aufkeimen: Neid.
    »Es geht ihm jetzt wieder etwas besser als heute Morgen«, sagte Bera.
    Als wüsste er, dass sie über ihn sprachen, regte sich der Fremde und versuchte, nach ihren Brüsten zu tasten. Bera errötete ganz gewaltig und stieß ihn von sich.
    In Ragnar brodelte Ärger hoch. »Lass ihn. Soll er doch etwas davon haben, dass du die Beine breit gemacht hast. Jetzt kann er dein Baby sein.«
    Bera knöpfte ihre Bluse auf, den Kopf gesenkt. Als die Lippen des Mannes ihre Brustwarzen fanden, murmelte sie mit niedergeschlagenen Augen: »Fühlst du dich besser, Ragnar Helgrimsson, wenn du mich demütigen kannst? Kommst du dir jetzt männlicher vor?«
    Ragnar trat einen Schritt auf sie zu, das Messer halb aus der Scheide gezogen, und blieb dann wieder stehen. »Du hast dich selbst gedemütigt, Mädchen. War es einer der Fremden, die auf dem Weg zum Markt hier Rast gemacht haben? Oder ist es einer von den Jungs gewesen?«
    Sie antwortete nicht, hielt den Kopf aber weiter gesenkt. Als Ragnar sich umdrehte und gehen wollte, rief sie: »Du sagst, die Terraformer hätten uns im Stich gelassen, Gebieter. Was aber, wenn sie zurückgekommen sind? Was, wenn er einer von ihnen ist? Ein Kundschafter, den sie vorausgeschickt haben, um nachzusehen, ob wir noch leben?«
    Ragnar verharrte. Orn war nicht klug genug, um zu erkennen, wie sehr die Anwesenheit des Fremden Ragnars festgefügten Glauben erschüttert hatte. Dass Bera sich ihre eigenen Gedanken machte, unterstrich nur, wie bedauerlich es war,

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