Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
unterwegs auftauten, und so konzentrierte er sich auf Erstere.
Die ganze Zeit über registrierte er hellwach jede kurze Unterbrechung im Schnarchkonzert der Schläfer im Erdgeschoss und dem lauten Sägen aus dem ersten Stock, jeden kleinen Seufzer und jede noch so winzige Bewegung, wenn sich irgendjemand im Schlaf regte.
Seine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, und er atmete tief aus, als Bera nach einer Zeit, die ihm wie eine geschlagene Stunde vorkam, obwohl höchstens 15 Minuten vergangen sein konnten, mit einem Stoß Karten und anderen Papieren zurückkehrte. »Pack den zweiten Beutel voll, ich nehme den ersten mit raus«, wisperte sie. »Bin in ein paar Minuten wieder da.«
Es dauerte länger als nur ein paar Minuten, und er wartete bereits in der Küchentür auf sie. »Mach die wieder voll, ich schaff inzwischen die zweite raus«, flüsterte sie und drückte ihm die geleerte erste Tasche in die Hand. Kurz darauf kehrte sie erneut mit dem leeren Jutesack zurück, und Karl fragte sich, was sie draußen mit dem Inhalt machte. Er hechtete vor Schreck beinahe zum Fenster hinaus, als sich einer der Fronarbeiter – der ihm merkwürdig bekannt vorkam, obwohl er ihn nie zuvor gesehen hatte –, auf den Rücken wälzte und einen Arm hob. Doch dann ließ er den Arm wieder sinken, und Karl atmete erleichtert durch.
Ein Beutel nach dem anderen wurde von ihm vollgestopft und von Bera nach draußen befördert, bis er plötzlich mit der Hand gegen einen Pfannendeckel stieß, der darauf im hohen Bogen durch die Luft segelte. Das laute Scheppern schien das gesamte Haus erbeben zu lassen, und Karl erstarrte, aber niemand regte sich, selbst die Kinder schliefen ungerührt weiter. Als er den erst halb geleerten Bierkrug neben einem der Jungen entdeckte, ahnte er, woran das lag.
Diesmal kehrte Bera ohne die leere Tasche zurück und gestikulierte hektisch, als sich der gleiche Hörige wie zuvor erneut regte. Obwohl der letzte prall gefüllte Beutel bei jedem seiner Schritte wild hin und her schwang, gelang es Karl irgendwie, sich zwischen den Schlafenden hindurchzuschlängeln, ohne irgendjemanden auch nur zu streifen.
Draußen winkte ihm Bera zu, ihr über den Hofplatz zu folgen, und Karl packte sie am Arm. »Warum willst du zur Scheune?«, flüsterte er und verharrte mitten im Schritt, als wäre er gegen eine Wand gerannt.
»Hallo«, begrüßte ihn Yngi strahlend. »Hat Papa dich endlich rausgelassen?«
»So ungefähr«, erwiderte Karl, immer noch im Flüsterton. »Ich dachte, du würdest heute Morgen schlafen.«
»Habe ich auch«, sagte Yngi nun mit leiserer Stimme, auch wenn sie Karl immer noch laut genug erschien, um Tote zu wecken. Die Gefahr, dass wir erwischt werden, steigt mit jeder Minute, dachte er. Lauf, lauf, lauf!, schrie alles in ihm, doch er brachte die innere Stimme zum Schweigen.
»Es war sehr nett von Thorir, dass er meine Schicht übernehmen wollte«, fuhr Yngi fort, »aber ich konnte nicht schlafen.« Er hob den rechten Fuß, und Karl begriff, dass Ragnars Sohn gerade im Begriff war, seinen Vogel zu füttern. »Außerdem musste ich sowieso ein bisschen frische Luft schnappen.«
Karl fragte sich, wer Yngi diese Redewendung beigebracht hatte und wozu sie auf diesem Planeten überhaupt benötigt wurde. »Wir spielen gerade ein Spiel«, flüsterte er und warf Bera einen fragenden Blick zu. »Spie len eure Kinder Verstecken?«
Bera nickte und senkte ebenfalls die Stimme. »Yngi, lieber Bruder, wir müssen uns verstecken. Aber bei diesem Spiel geht es um noch etwas anderes. Wir dürfen niemanden wecken. Verstehst du?«
Yngi nickte, auch wenn die tiefen Furchen auf seiner Stirn verrieten, dass er es nicht tat. »Und jetzt seid ihr damit dran, euch zu verstecken?«, fragte er. Obwohl er zu flüstern versuchte, dröhnte Yngis Stimme so laut wie ein Nebelhorn in Karls Ohren.
Bera nickte erneut. »Geh einfach ein Stückchen weiter.«
»Vorher muss ich aber erst noch Render füttern«, flüsterte Yngi.
»Dann lässt uns das Zeit genug, uns zu verstecken, mein Freund«, erwiderte Karl leise.
»In einer Stunde kannst du dann anfangen, uns zu suchen«, wisperte Bera. »Aber vergiss nicht, das Spiel ist nur für uns. Es muss geheim bleiben.«
Yngis Gesicht leuchtete auf. »Oh, gut!«, stieß er hervor, und Karl unterdrückte das Bedürfnis, ihm den Mund zuzuhalten.
Bera stieß ihm unauffällig den Ellbogen in die Seite. »Wir haben das Spiel so verändert, dass es dabei zwei Gewinner gibt. Wer alle
Weitere Kostenlose Bücher