Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Arschloch!«, übertönte eine schrille Frauenstimme die endlose Kakofonie, die in deinem Inneren dröhnte. »Und ich habe dir vertraut!« Dann klang von irgendwoher ein Hecheln und ein leises Knurren an deine Ohren, und die Frau schrie: »Karl, um der Götter willen, sie greifen uns an! Karl! Verdammte Scheiße … angesichts dieser Viecher hier habe ich jetzt wirklich keine Zeit mehr, mich weiter mit dir herumzuschlagen!«
Sie packte dich an beiden Ohren und schmetterte deinen Hinterkopf erneut auf den Felsboden. Um dich herum blinkten Myriaden von Sternen auf, ein unglaublicher Schmerz durchzuckte dich, und dann verschlang dich die Dunkelheit.
Karl schüttelte den Kopf, noch immer benommen. Über das Klingeln in seinen Ohren hinweg hörte er ein Kläffen und Knurren und dann Bera, die über den Satteltaschen kauerte, rufen: »Haut ab!« Ein Schuss peitschte auf und ließ ihn hochfahren. Dem Knall folgte ein Jaulen. Karl wirbelte herum und sah einen Hund, aus dessen Flanke Blut hervorsprudelte, zusammenbrechen.
Ein weiterer Hund rannte auf die Satteltaschen zu. Karl stemmte sich hoch, stolperte wie eine Marionette halb betäubt ins Zentrum des Geschehens und sah, wie Bera dem angreifenden Tier das Gewehr auf die Schnauze schlug. Der Hund jaulte auf, zog sich aber nur ein paar Schritte zurück. Anscheinend sind es verwilderte Hunde, dachte Karl und fragte sich, woher sie den Mut genommen hatten, ihn und Bera anzugreifen. Doch dann entdeckte er das dunkelblaue Blut, das aus einem der Beutel getropft war. Blut von dem Fleisch des Felsfressers, den Bera erlegt hatte.
Er hob einen großen Stein auf, ergriff hastig einen zwei ten und dritten, schleuderte den ersten auf den Hund, der Bera bedrohte, und traf ihn in der Rippengegend. Das Tier jaulte, wirbelte herum und knurrte ihn kurz an, stürzte sich dann aber wieder auf Bera.
»Schieß doch!«, brüllte er. Der Klang einer eigenen Stimme schnitt ihm wie ein Messer durch den Kopf.
»Zu nah!«, schrie Bera zurück, schwang das Gewehr erneut wie eine Keule und kreischte: »Verpiss dich, du hässliches Vieh, oder ich reiß dir den Schädel vom Leib!«
Sie stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. »Aaaahhh!« Karl warf die beiden anderen Steine nach dem Hund, verfehlte jedoch sein Ziel. Er sprintete zu der zweiten Satteltasche, riss die darin verstaute Axt hervor und wog sie kurz in der Hand, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich Gewicht verteilte. Dann schwang er sie mit der linken Hand und erwischte den Hund schräg von hinten in der Seite. Das Jaulen des tödlich getroffenen Tiers übertönte beinahe das dumpfe Geräusch, mit dem sich der Axtkopf in seinen Körper grub.
Bera, die aus einer Bisswunde im Unterarm blutete, schmetterte gerade das Gewehr einem weiteren Hund gegen den Kopf, worauf das Biest wie vom Blitz getroffen zusammenbrach.
Ein weiterer Hund lag etwa zehn Meter entfernt reglos auf dem Boden. Auf halber Strecke zwischen ihm und den Menschen hatten die restlichen Tiere des Rudels – vielleicht ein Dutzend – einen rund fünf Meter durch messenden Halbkreis gebildet und beobachteten sie wach sam.
Karl näherte sich dem Tier an einem Ende des Halbkreises. Es fletschte die Zähne, wich langsam zurück, und Karl rückte weiter vor, die Axt in Brusthöhe haltend, bereit, sie wie einen Schlagstock einzusetzen. Doch mit jedem Schritt, den Karl sich ihm näherte, zog sich das Tier knurrend weiter zurück. Dabei behielt es stets den gleichen Sicherheitsabstand bei und blieb außerhalb seiner Reichweite.
Also wandte er sich dem nächsten Hund zu, dessen Blick zwischen Bera, den Satteltaschen und Karl hin und her pendelte. Offensichtlich konnte er sich nicht entscheiden, ob er angreifen oder fliehen sollte. Doch wie sein Artgenosse behielt auch er immer den gleichen Sicherheitsabstand bei und machte damit jeden von Karls Versuchen, sich ihm auf Schlagweite zu nähern, zunichte.
»Nicht hinsehen!«, rief Bera in diesem Moment.
Irgendetwas landete zwischen ihm und den Hunden, und er reagierte einen Moment zu spät. Das Ding zischte und spuckte Rauchfontänen aus, bevor es mit einem blen dend hellen Lichtblitz aufflammte. Als der Schein wieder erlosch, humpelten zwei der Hunde, denen die Flucht gelungen war, bereits ein gutes Stück vom Lager entfernt aus mehreren Wunden blutend davon.
Karl stieß die angehaltene Luft scharf aus. Sein Kopf schmerzte immer noch, aber vorerst unterdrückte das Adrenalin, das sein Körper ausgeschüttet hatte, die
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