Gesucht wird Charity
Augenblick
der Unentschlossenheit. Der Pistolenlauf kam zur Ruhe, und ich starrte für, wie
mir schien, eine Ewigkeit darauf. Dann lockerten sich seine Finger mit einer
Reihe kleiner, ruckartiger Bewegungen — die Waffe fiel auf den Boden. Er gab
einen dünnen Jammerlaut von sich, der tief aus seiner Kehle drang, sank auf die
Knie und bedeckte mit beiden Händen das Gesicht.
»Armer George!« sagte Claudia
mit zutiefst mitleidiger Stimme, sprang von der Couch und rannte mit
ausgestreckten Armen auf ihn zu.
Ich hob die Achtunddreißiger über die Platte der Bar und zielte sorgfältig, bevor ich sagte: »Hände weg!«
Ihre violetten Augen, von
Mitleid erfüllt und verletzt, weil sie mißverstanden wurde, blickten mich mit rührend flehendem Ausdruck an. Und ihre rechte Hand
verharrte fünfzehn Zentimeter über dem Griff von Georges Pistole in der Luft.
»Das trauen Sie sich nicht«,
sagte sie zögernd.
»Probieren Sie’s!« sagte ich.
Sie biß sich auf die Unterlippe
und richtete sich langsam auf. Das plötzliche freundliche Lächeln auf ihrem
Gesicht wirkte noch grotesker als zuvor die schwarze Perücke auf meinem Kopf.
»Rick?« Ihre Stimme war voller Hoffnung. »Vielleicht können wir das alles
regeln?«
»Das hätte seine Vorteile«,
sagte Sarah mit einer Stimme, die, wie ich ungläubig zur Kenntnis nahm, gesetzt
klingen sollte. »Ich meine, du würdest uns beide haben.«
»Und all das Geld«, sagte
Claudia schnell.
»Zwei Mägde zu deiner ständigen
Verfügung!« Sarah besann sich für den Gedanken zu erwärmen. »Zu dritt in einem
Bett?« Sie kicherte vorsichtig. »Oder auch nur zu zweit, wenn du dich müde
fühlst.«
»Mit all dem Geld brauchen Sie
nie mehr zu arbeiten!« Eines mußte man Claudia lassen, dachte ich, sie ließ
sich in ihrer einseitigen Leidenschaft für Geld durch nichts aus der Rolle
bringen.
»Was meinst du, Rick?« gurrte
Sarah.
»Ich habe mir eben überlegt«,
sagte ich bedächtig, »schließlich habe ich Earl Raymond vor einem Tod,
schlimmer als irgendein ausdenkbares Schicksal, bewahrt; es wäre also nicht
unbillig, wenn ich ihm die fünftausend extra auch noch abknöpfen würde, oder?«
Die glatte Haut war auf der
einen Seite völlig gebraten, fand ich, und ein Mädchen mit einem schmerzhaften
Sonnenbrand ist so gut wie gar kein Mädchen.
»Dreh dich um«, sagte ich.
Sie seufzte. »Haben deine
verrückten Begierden schon wieder die Oberhand über dich gewonnen, Rick?«
»Ich entsinne mich eines
Mädchens, das sich einmal in derselben Situation befunden hat«, sagte ich
nüchtern. »Und sie wollte sich auch nicht umdrehen. Zwei Tage später zog sie
ganze Hautschichten von ihrem Gesicht.«
»Geht es ihr jetzt wieder gut?«
fragte Daniela schläfrig.
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Es ist erst ein paar Jahre her, und ihre Ärzte sind mit den kosmetischen
Operationen noch nicht am Ende.«
Mit einem Ruck drehte sie sich
auf den Rücken. »Es ist hübsch hier«, sagte sie träge. »Völlig anders als in
Big Sur . Natürlich völlig unwirklich, aber es gefällt
mir trotzdem. Alles wäre fast vollkommen, Rick, wenn du deine Nachbarn
loswerden könntest. Dann brauchte ich keinen Bikini anzuziehen und könnte von
Kopf bis Fuß braun werden.«
»Es sind eben diese dünnen,
weißen Streifen, welche die verrückten Begierden in Männern wecken«, sagte ich.
»Wie geht es Charity ?«
»Gut.« Sie gähnte genußvoll . »Sie und ihre Mutter gehen demnächst auf ein
halbes Jahr nach Europa. Das war eine scheußliche Geschichte. Was ist aus den
übrigen Beteiligten geworden?«
»Claudia und Sarah wird
nächsten Monat der Prozeß gemacht«, sagte ich. »Und George ebenfalls irgendwann
um dieselbe Zeit.«
»Das freut mich.« Ihre Stimme
klang plötzlich bösartig. »Hoffentlich bekommen sie alle lebenslänglich, oder
zumindest neunundneunzig Jahre.«
»Earl Raymond hatte gedacht,
die vorgetäuschte Entführung würde ihm so viel Publicity einbringen, daß er
wieder zum großen Star würde«, sagte ich nachdenklich. »Er hat aus der echten
Entführung und der Ermordung des kleinen Legarto mehr
Publicity geschöpft, als er sich je hätte träumen lassen. Und das hat seine
Schauspielerkarriere soweit sie noch bestand, vollends erledigt. Kein Produzent
wird auch nur zugeben, jemals seinen Namen gehört zu haben.«
»Mir tut er nicht leid«, sagte
sie entschieden. »Was tut er jetzt?«
»Das letzte, was ich gehört
habe, war, daß seine Frau ihm angeboten hat, nach seiner
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