Gesund durch Meditation
Vielleicht glaubt man, dass es sich um typische Altersabbauerscheinungen handelt, um eine ganz normale Einbuße an Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Gestaltungsvermögen und Lebensfreude. In der Stressreaktion gefangen zu sein ist jedoch weder normal noch unausweichliches Schicksal. Wie wir bereits gesehen haben, stehen uns weit mehr Ressourcen und Alternativen zur Verfügung, als uns im Allgemeinen klar ist. Die gesunde Alternative zu selbstzerstörerischen Mustern jedweder Art besteht darin, auf Stress nicht länger einfach nur zu
reagieren,
sondern ihn als Anlass zum bewussten
Umgang
mit den Dingen zu nehmen. Das ist der reichverzweigte Weg der Achtsamkeit im Alltag.
20. Der achtsame Umgang mit Stress
Und damit kommen wir zur Achtsamkeit und ihrer überragenden Bedeutung zurück. Der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zur Befreiung vom lebenslangen Diktat der Stressreaktion besteht darin, sich der Dinge im Augenblick ihres Geschehens bewusst zu werden. Was bedeutet das für uns konkret? Wie wir im letzten Kapitel analysiert haben, kann die Person in der Abbildung 6 jederzeit einer Kombination aus inneren und äußeren Stressoren ausgesetzt sein, die eine Flut von Gefühlen und Verhaltensweisen in Gang setzt, die wir
habituelle oder automatische Stressreaktion
genannt haben. Abbildung 7 zeigt den gleichen Stressreaktionszyklus wie Abbildung 6 , nur dass hier eine weitere Verhaltensdimension zur Verfügung steht, die wir den
achtsamen Umgang mit Stress
nennen wollen, um sie damit gegen die automatische Stressreaktion abzugrenzen. Der
achtsame Umgang mit Stress
stellt die gesunde Alternative zur eher unbewussten, wenn auch grundsätzlich lebenswichtigen Stress
reaktion
dar. Er steht für die Gesamtheit
zweckmäßiger
Bewältigungsstrategien im Gegensatz zu unzweckmäßigen Versuchen, mit Stress umzugehen.
Angesichts von Stress muss weder zwangsläufig die Kampf-oder-Flucht-Reaktion einsetzen, noch muss er uns in Gefühle der Hilflosigkeit und Überforderung stürzen. Vielmehr hat jeder Mensch die Möglichkeit, sich umzuentscheiden, wenn er sich gezielt in dieser Fähigkeit übt. Und hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Wertungsfreies Gewahrsein des Augenblicks ermöglicht es, sich auf eine schwierige Situation einzulassen. Es gibt uns den Spielraum, unsere Beziehung zum Geschehen und damit auch seinen Verlauf in genau jenen Momenten zu beeinflussen, in denen wir normalerweise impulsiv reagieren und im Zustand der Übererregung mehr oder weniger unzweckmäßige Versuche unternehmen würden, die Situation unter Kontrolle zu bringen.
Es gehört zur Definition der Stressreaktion, dass sie im Großen und Ganzen unbewusst und automatisch abläuft, wenn auch unterhalb der Bewusstseinsschwelle eine große Zahl hochgradig komplexer und koordinierter kognitiver Prozesse an ihr beteiligt sind. Sobald man aber bewusst wahrnimmt, was in einer stresserzeugenden Situation tatsächlich geschieht, hat man diese Situation auch schon grundlegend verändert und sich einen kreativen Freiraum erschlossen. Und da man
selbst
Teil der Wirklichkeit der
ganzen
Situation ist,
verändert man ihr Gefüge durch das bloße Gewahrsein dessen, was geschieht, sogar noch bevor man in irgendeiner Form aktiv wird.
Dieser innere Haltungswechsel ist von größter Wichtigkeit, denn
er gibt uns den Spielraum, bis zu einem gewissen Grad zu beeinflussen, was als Nächstes geschieht.
Es bedarf nur des Bruchteils einer Sekunde, um sich der augenblicklichen Situation bewusst zu werden. Doch dieser kurze Moment kann für ihren Ausgang und damit ihr Stresspotenzial bestimmend sein. Es ist der Moment, in dem sich entscheidet, ob wir den »Weg der Stressreaktion« gehen oder in der Lage sind, auf den »Weg des achtsamen Umgangs mit Stress« umzuschwenken.
Wenn es uns gelingt, in der Stresssituation zentriert zu bleiben und dabei sowohl das Stresspotenzial des Augenblicks
als auch
den Impuls zum sofortigen Reagieren zu erkennen, verleihen wir der Situation eine völlig neue Dimension. Wir schaffen uns einen Spielraum, in dem wir weder automatisch mit unseren typischen Mustern emotionalen Ausdrucks reagieren müssen noch gezwungen sind, die Gedanken und Gefühle, die mit der gesteigerten Erregung in Verbindung stehen, zu unterdrücken, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Wir können uns zugestehen, erschrocken, verängstigt, verletzt oder zornig zu sein und die Spannung im Körper zu spüren. Wenn wir bewusst im gegenwärtigen Augenblick sind, vermögen
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