Gesund durch Meditation
scheint, erlaubt die bewusste Betrachtung der Gefühle noch bis zu einem gewissen Grad eine Art verständiger, wissender Distanz. Der Schmerz mag noch so groß sein, ihm ist die Spitze genommen, wenn man fragt,
wer
jetzt leidet, und wenn man den eigenen Geist dabei beobachtet, wie er sich aufbäumt und in Schmerzen windet, wie er tobt und widerstrebt, wie er leugnet und sich in Phantasien ergeht.
Achtsamkeit hilft uns dabei, das Wesen des Leidens besser zu verstehen. Manchmal klären sich so die Missverständnisse, Übertreibungen und mit ihnen die Konfusion, die verletzten Gefühle, der emotionale Aufruhr und das trotzige Beharren. Versuchen Sie einmal, wenn Sie die nächste Leidensphase durchmachen, auf eine leise innere Stimme zu horchen, die vielleicht sagt: »Ist es nicht ganz erstaunlich, was ein Mensch alles erträgt, wie viele Seelenqualen er auszuhalten oder auch heraufzubeschwören bereit ist, um darin zu versinken?« Wenn Sie auf diese leise Stimme achten, die aus Ihrem Inneren, aus Ihrem Leiden zu Ihnen spricht, erinnert sie Sie vielleicht daran, dem Wechsel Ihrer Emotionen mit »verständiger Aufmerksamkeit« aus einer gewissen Distanz als Beobachter beizuwohnen. Vielleicht fragen Sie sich, wie die Sache wohl ausgehen wird, wohl wissend, dass Sie den Ausgang nicht kennen und einfach abzuwarten haben. Eines gibt es jedoch, dessen Sie gewiss sein können: dass das Leiden seine Auflösung finden wird, dass die Woge des Schmerzes ihren Gipfelpunkt nicht lange halten kann und irgendwann wird brechen müssen. Und Sie wissen auch, dass Ihr Umgang mit dieser Woge im Augenblick ihrer höchsten Erhebung Einfluss darauf hat, welche Spuren sie hinterlässt. Wenn Sie zum Beispiel in plötzlich aufwallendem Zorn etwas sagen oder tun, womit Sie einen Menschen tief verletzen, haben Sie eine ohnehin leidvolle Situation noch verschärft und ihre Lösung noch weiter in die Ferne gerückt. Vielleicht gelingt es Ihnen, in einem Augenblick großen emotionalen Schmerzes zu akzeptieren, dass Sie nicht wissen, wie sich die Dinge von hier aus weiterentwickeln, um mit dieser akzeptierenden Haltung den Prozess der Heilung einzuleiten.
Wir leiden auf vielfältige Weise, doch für gewöhnlich handelt es sich um Variationen einiger weniger Hauptthemen. Wenn Sie angesichts emotionaler Stürme Achtsamkeit walten lassen, nehmen Sie vielleicht einen inneren Widerstand gegen das Schon-geschehen-Sein wahr. Vielleicht hat der Teil in Ihnen, der dies erkennt, sich in gewisser Weise bereits mit dem Geschehenen und der Situation, wie sie ist, abgefunden. Vielleicht erkennt dieser Teil auch, dass die revoltierenden Gefühle dennoch zum Ausdruck kommen müssen, dass sie noch nicht so weit sind, sich mit den Dingen abzufinden und sich zu beruhigen, und dass auch dies in Ordnung ist.
In der Meditation wird besonders deutlich, dass unser Geist eine ausgesprochen starke Tendenz hat, die Gegebenheiten abzulehnen, wenn erst die Perspektive des Ego ins Spiel kommt:
mein
Schmerz,
meine
Bedrängnis,
mein
Kummer. Wie Einstein betonte, sperrt uns diese Sichtweise in das Gefängnis der Identifikation mit dem Getrenntsein. Und wie wir auch schon gesehen haben, behindert sie uns in unserer Klarsicht und unserem Vermögen zur Selbstheilung gerade dann, wenn wir dieser Fähigkeiten vielleicht am meisten bedürfen.
Wenn Ihnen im aufkommenden Seelenschmerz in einer plötzlichen Einsicht das emotionale Geschehen klar wird, begnügen Sie sich damit, es zu beobachten, anstatt sich im nächsten Schritt selbst zu verurteilen, weil Sie es »nicht schaffen«, die Gegebenheiten zu akzeptieren und sich mit dem größeren Ganzen zu verbinden. Das wäre nur mehr bewertendes idealistisches Denken. Was in solchen Augenblicken wirklich nottut, ist zu spüren, was hier und jetzt spürbar wird, und uns davon durchströmen zu lassen, im Gewahrsein und als Beobachter unserer Gedanken und Gefühle, solange der Prozess auch andauern mag, und mit einem gewissen Gleichmut. Möglicherweise ist ein bestimmtes Maß an Widerstreben dem Augenblick vollkommen angemessen. Vielleicht versetzt Sie ein drohendes Unglück oder eine böse Vorahnung in Schrecken. Vielleicht haben Sie einen schmerzhaften Verlust oder ein Unrecht erlitten oder bereuen eine Fehlentscheidung, die Sie jetzt nicht einfach »akzeptieren« können. All dies ist vollkommen legitim.
Wie wir schon in Kapitel 2 gesehen haben, bedeutet Akzeptanz nicht, dass man die Geschehnisse immer
gutheißen
muss oder sich allem einfach
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