Gesund durch Meditation
bewirkt. Ohne dieses Gewahrsein fehlte es dem Arzt an einem inneren Maßstab, um zu ermessen, welchen Eindruck seine Äußerungen und sein Auftreten im Patienten hinterlassen. Diesen inneren Maßstab bietet ihm die Achtsamkeit. Was sich die meisten Patienten von ihrem Arzt erwarten, ist gesehen, gehört und ernst genommen zu werden. Dazu muss der Arzt natürlich zuhören können und sich notfalls auch die Zeit nehmen, Anliegen herauszuhören, die zu benennen der Patient selbst sich scheut.
Im Arzt-Patienten-Verhältnis und in der klinischen Kommunikation wird das »Prinzip Achtsamkeit« heute immer mehr zum Bestandteil einer fundierten Ausbildung sowohl der Medizinstudenten als auch der angehenden Fachärzte. Einer der Wegbereiter für diese neuere Entwicklung war George Engel, der mit seiner Arbeit in gewissem Sinn ihr philosophischer Ahnherr ist. Dr. Engel war über Jahrzehnte einer der führenden Köpfe der Rochester Medical School, wo er den Lehrstil revolutionierte, indem er sich dafür einsetzte, den menschlichen Belangen der Patienten dieselbe Aufmerksamkeit entgegenzubringen wie den physischen Befunden. Die angehenden Ärzte sollten schon während ihrer Ausbildung lernen, psychologischen und sozialen Aspekten die gleiche Bedeutung beizumessen und sie mit der gleichen wissenschaftlichen Strenge und Sorgfalt zu behandeln wie Röntgenaufnahmen und Laborwerte. Er vertrat ein erweitertes Modell für die ärztliche Praxis, das als
biopsychosoziales Modell
bekannt wurde. Engel ist damit ein wichtiger Vertreter der systemischen Betrachtung (vgl. Kapitel 12 ) von Gesundheit und Krankheit, bei der es darum geht, im Patienten den ganzen Menschen zu sehen. Mit seiner Arbeit hat er eine ganze Generation junger Ärzte beeinflusst und sie ermutigt, in ihrer ärztlichen Praxis die Grenzen des traditionellen medizinischen Denkens der damaligen Zeit zu überwinden.
Obwohl schon Hippokrates auf die eminente Bedeutung des Geistes für Gesundheit und Krankheit hingewiesen hat, spielte der Einfluss psychologischer Faktoren auf physische Erkrankungen vor der Einführung des Engelschen Modells in den Curricula des modernen Medizinstudiums nur eine untergeordnete Rolle. Die Dimension des Geistes war aus den offiziellen Lehrinhalten der medizinischen Fakultäten praktisch verbannt. Einer der Hauptgründe dafür ist die seit Descartes im westlichen Denken übliche Trennung der ursprünglichen Ganzheit des Menschen in
Soma,
»Körper«, einerseits und
Psyche,
»Seele«, andererseits. Seit dem 17 . Jahrhundert ging man von zwei separaten Wesenheiten aus, zwischen denen es im Grunde keine Verbindungen gab. Diese Kategorisierung vereinfachte zwar das Verständnis auf einer bestimmten Ebene, doch geriet im Laufe der Zeit in Vergessenheit, dass die Trennung von Geist und Körper nur eine gedankliche Konstruktion war. Die westliche Kultur wurde von dieser dualistischen Sicht- und Denkweise völlig durchdrungen, und damit verschloss sich die anerkannte wissenschaftliche Forschung prinzipiell dem gesamten Thema der Wechselbeziehungen zwischen Körper und Geist.
Sogar in unserem alltäglichen Sprachgebrauch spiegelt sich dieser Dualismus wider und engt damit die Bahnen ein, in denen unser Denken verläuft. Folglich tun wir uns schwer damit, Geist und Körper als ungetrennt und in nicht-dualistischer Weise zu betrachten. Wir sprechen von »meinem« Körper und davon, einen Körper zu »haben«, ohne zu fragen, wer es denn ist, der sich da als vom Körper getrennt erfährt und auf ihn Besitzanspruch erhebt.
Erst in den vergangenen Jahrzehnten hat sich dieser ältere Blickwinkel und damit auch unser Sprachgebrauch verändert, als nämlich die gravierenden Mängel und logisch unhaltbaren Verkürzungen des dualistischen Paradigmas deutlicher zutage traten. Die wachsende Akzeptanz für eine ganzheitlichere Sichtweise ist dabei zum Teil den Befunden der kontemplativen Neurowissenschaft zu verdanken, die zeigen konnte, dass sich aufgrund längerfristiger Schulung des Geistes durch Meditation im Gehirn neurale Muster ausprägen, die nie zuvor beobachtet wurden – ein Beispiel dafür, wie der immaterielle Geist
(Psyche)
Veränderungen im materiellen Gehirn
(Soma)
bewirkt. Beide Sphären durchdringen einander und bilden ein nahtloses Ganzes.
Ein weiteres wohlbekanntes Phänomen, für das der Schulmedizin innerhalb ihres herkömmlichen Modells die Erklärungsbasis fehlt, ist der
Placeboeffekt.
Er weist ebenfalls auf die Notwendigkeit eines
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