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Gesund durch Meditation

Gesund durch Meditation

Titel: Gesund durch Meditation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Kabat-Zinn
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unabdingbar, ihre Auffassung von der Realität radikal zu erweitern. So benutzten sie den Begriff »Komplementarität«, um damit auszusagen, dass »etwas«, zum Beispiel ein Elektron, völlig verschiedene und offenbar unvereinbare physikalische Eigenschaften aufweisen kann und damit entweder als Welle oder als Partikel erscheint, je nachdem, mit welcher Methode man es untersucht. Sie waren gezwungen, als grundlegendes Naturgesetz ein Prinzip der
Unbestimmtheit
anzunehmen, um zu erklären, warum man entweder den Ort eines subatomaren Partikels oder seinen Impuls kennen kann, nicht aber beides zugleich. Darüber hinaus mussten sie die Vorstellung eines
Quantenfeldes
entwickeln, welche besagt, dass Materie nicht von dem sie umgebenden Raum getrennt werden kann, dass also Partikel einfach »Verdichtungen« eines universellen, alles erfüllenden Kontinuums sind. Innerhalb dieser Weltbeschreibung verliert die Frage, was das Auftauchen von Materie im leeren Raum oder ihr Verschwinden »verursacht«, ihre Bedeutung, obwohl beides durchaus vorkommt. Die neue Beschreibung der Realität, der inneren Struktur der Teilchen, aus denen unsere Körper und letztlich die Welt bestehen, ist so weit von unseren gewöhnlichen Denkmodellen entfernt, dass sie eine völlige Umorientierung erforderlich macht.
    Die revolutionären kosmologischen Konzepte, mit denen die Physiker nun schon seit mehr als hundert Jahren ringen, haben allmählich auch den Weg ins allgemeine Bewusstsein gefunden, und so hat sich das Denken in Komplementaritäten auch auf andere Wissensbereiche ausgedehnt. Daher akzeptiert man heute leichter die Aussage, dass Naturwissenschaft und Medizin
eine
spezifische Beschreibung von Gesundheit liefern, die als solche
nicht die einzig gültige
sein muss. Das Konzept der Komplementarität erinnert uns daran, dass Wissenssysteme stets unvollständig sind und als Teilaspekte eines größeren Ganzen gesehen werden müssen, das selbst jenseits aller Modelle und Theorien liegt, die es zu beschreiben versuchen. Die Idee der Komplementarität bestreitet keineswegs den Wert von Wissen in einem bestimmten Gebiet. Sie verweist lediglich auf die Tatsache, dass jedes Wissen begrenzt und nur innerhalb des Systems anwendbar ist, in dem seine Beschreibungen Gültigkeit und Aussagekraft besitzen.
     
    Wie wir gesehen haben, entstand aus der Notwendigkeit, Gesundheit und Krankheit in einem umfassenderen Kontext als dem herkömmlichen zu verstehen, ein neues Paradigma. Obwohl es noch in den Kinderschuhen steckt, findet es doch allmählich stärkeren Widerhall, nicht allein in der medizinischen Praxis, sondern auch in der Gesellschaft, in ihrer Auffassung von Gesundheit und Krankheit und darin, was sie sich von der Medizin und vom Gesundheitssystem erwartet. Eine dieser Auswirkungen findet sich in einer zunehmenden Erweiterung des Orientierungsrahmens in der medizinischen Forschung und klinischen Praxis, was in verschiedenen Namengebungen wie Mind-Body-Medizin, Verhaltensmedizin oder integrative beziehungsweise ganzheitliche Medizin zum Ausdruck kommt. Was verstehen wir eigentlich unter Gesundheit? Wie können wir sie am besten fördern? Wie können wir Krankheiten vorbeugen? Wie können wir die Erkrankungen und Behinderungen, unter denen wir leiden, am besten behandeln oder heilen? – Dies sind die Fragen, um deren tieferes Verständnis sich jeder dieser komplementären Ansätze bemüht.
    Welchen Namen man dieser neuen Orientierung nun immer geben mag, immer strebt sie eine Erweiterung des herkömmlichen medizinischen Versorgungsmodells an, damit der Geist ebenso wie der Körper Berücksichtigung findet, persönliche Verhaltensweisen, Einstellungen, Gedanken und Gefühle ebenso wie objektive Befunde, klassische Symptombeschreibungen und konventionelle, das heißt medikamentöse oder chirurgische Therapiemethoden. Die neuen, zunehmend auf empirische Nachweise gestützten (»evidence-based«) Disziplinen beziehen in ihre erweiterte Definition von Medizin und Gesundheitswesen den Patienten als
aktiv Mitwirkenden
ein. Anstatt sich ausschließlich auf die Ärzte zu verlassen, lernt der Patient, für sich selbst die Verantwortung zu übernehmen – etwas, über das er weit mehr Macht hat als über Krankenhäuser, Ärzte und therapeutische Prozeduren. Sich in Ergänzung zu dem, was der Arzt tun kann, intensiv um die eigene Gesundheit und Gesundung zu bemühen bedeutet dabei stets, den Moment, in dem man diese Entscheidung trifft, in seiner ganzen

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