Gesunde Muskeln - Gesunder Körper
70er begann der Biologe Jon Kabat-Zinn mit der Nutzung von Meditationstechniken. Sie bildeten die Grundlage für ein einflussreiches Stressabbauprogramm der medizinischen Hochschule Worcester von der Universität Massachusetts, mit dessen Hilfe weitere Forschungsarbeiten angeschoben wurden. Viele Menschen bekamen damit ihre seelischen und körperlichen Probleme, einschließlich chronischer Muskelschmerzen, besser in den Griff.
Aus dem Ansatz von Kabat-Zinn entstand das heutige Zentrum
für Achtsamkeit in Medizin, Gesundheitswesen und Gesellschaft ( www.umassmed.edu/cfm/index.aspx ), das zusammen mit seinem Erstlingswerk, Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung , einen ausgezeichneten Einstieg in psychosomatische Zusammenhänge bei Muskelschmerzen vermittelt.
Auf der Basis von Benson, Kabat-Zinn und anderen haben wir eine begrenzte Anzahl Antistressübungen zusammengestellt, von denen einige unserer Patienten im Laufe der Zeit profitieren konnten. Der rote Faden ist dabei die Ermunterung, zur Ruhe zu kommen und bewusst wahrzunehmen (oder achtsam , wie die buddhistische Tradition es ausdrückt), wie hektisch unser Leben mittlerweile verläuft. Dabei sollten Sie bedenken, dass Stress auch gut sein kann. Er motiviert uns, Dinge rechtzeitig in Angriff zu nehmen und auch wirklich zu erledigen. Nicht der Stress ist Ursache der Probleme, sondern die Art, wie wir mit ihm umgehen. Wer den ganzen Tag hyperventiliert und die Muskeln anspannt, ohne es zu merken , überschreitet die Linie zwischen »gutem« und »schlechtem« Stress und wird damit früher oder später Schiffbruch erleiden. Bei unseren Entspannungsübungen geht es darum, wieder zu erlernen, wie sich »normal« anfühlen sollte.
Entspannte Tiefenatmung öffnet die Käfigtür, wenn der Stress einmal so richtig zugeschlagen hat. Das mag sich lächerlich einfach anhören, doch in unserer Welt, in der wir ständig mit dem Handy am Ohr leben, bedarf es vielleicht einiger Übung. Die Atemübung, die wir anbieten, bildet die Grundlage für die fortgeschritteneren Techniken, die später folgen. Bei Patienten, die gern »etwas tun«, verwenden wir manchmal die Körperscantechnik
. Diese Form der »Inventur«, bei der man sich darauf konzentriert, Stück für Stück jeden einzelnen Teil des Körpers zu entspannen, kann eine ausgezeichnete Methode sein, eine gewisse Selbstbestimmung auszuüben (oder sich diese bei chronischen Schmerzen zurückzuerobern). Bei Patienten, die am liebsten »völlig loslassen«, nutzen wir eher eine klassische Meditationsübung, bei der man sich auf seinen Atem konzentriert und die Aufmerksamkeit beliebig wandern lässt, um sich danach wieder ganz auf den Atem zu konzentrieren (siehe Kasten Seiten 70 bis 72).
Mitunter wirken die Übungen direkt auf die Quelle der Muskelschmerzen ein, indem sie die Muskelspannung senken. Sie funktionieren aber auch indirekt, indem sie die Schmerzwahrnehmung verändern. Das klingt vielleicht etwas weit hergeholt, aber Schmerz ist nichts objektiv Fassbares, sondern das Ergebnis eines »Gesprächs« zwischen bestimmten, Schmerz registrierenden Nervenzellen, die sich durch den ganzen Körper ziehen, und bestimmten Nervenzellen im Rückenmark, die Informationen ans Gehirn weiterleiten, welche dort verarbeitet und gedeutet werden.
Bei einem Körperscan oder einer Meditation machen Sie Körper und Seele Mut, das Ausmaß Ihrer Muskelschmerzen in aller Ruhe zu beurteilen. Der Körper ist entspannt, und der Geist konzentriert sich einzig und allein auf den gegenwärtigen Augenblick. Patienten mit chronischen Muskelschmerzen sagen häufig, dass ihre Wahrnehmung gleichermaßen durch die Angst geprägt ist, der Schmerz könnte unerträglich werden, wie durch das körperliche Empfinden an sich. Wie jemand einmal sagte: »Der
Schmerz ist unausweichlich, Leiden ist eine Frage der Einstellung. «
In Kapitel 6 gehen wir näher auf die Menschen ein, die das Meditationskissen lieber in die Ecke werfen und stattdessen einige Kilometer laufen gehen. Warum auch nicht? Laufen klärt den Kopf und erzeugt Glückshormone (Endorphine). Körper, Geist und Seele lassen sich auf unterschiedliche Weise in Einklang bringen. Wir haben auch Patienten, die von der Alexandertechnik oder der Feldenkrais-Methode profitieren. Beide Systeme fördern die bewusste Wahrnehmung und das disziplinierte Training zahlreicher Bewegungsabläufe.
Die wohl populärste unter den uns bekannten, bewegungsorientierten Methoden ist das Yoga.
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