Gesunde Muskeln - Gesunder Körper
über die negativen Kommentare von Dr. Sarno über seine Kollegen hinwegsieht, können wir seinem Grundkonzept zustimmen: In vielen Fällen lassen sich
Schmerzen lindern oder hören auf, wenn man sich entspannt, die verspannten Muskeln nicht mehr zusammenzieht und lernt, mit unangenehmen Gefühlen anders umzugehen.
Obwohl auch wir der Ansicht sind, dass Rückenschmerzen ein körperlicher Ausdruck unterdrückter Gefühle sein können, haben wir einen völlig anderen Behandlungsansatz. In unseren Augen spielt es keine Rolle, weshalb sich ein Muskel ursprünglich verkrampfte. Sobald er in Kontraktion verharrt, laufen schädliche körperliche Veränderungen ab, darunter Sauerstoffmangel und die Entstehung von Narbengewebe. In diesem Buch erklären wir in erster Linie, wie manuelle Therapien solche körperlichen Veränderungen auf körperlicher Ebene angehen. Wer beispielsweise das Glück hat, keine »persönliche Schwachstelle« im Bewegungsapparat zu haben, kennt vielleicht allgemeine Verspannungen. Wenn Sie es jedoch immer gleich im Kreuz haben oder unter chronisch verspannten Schultern leiden, meldet sich hier vermutlich der Alltagsstress. Wenn solche angegriffenen Muskeln nicht behandelt werden, macht weiterer Stress das Problem nur noch schlimmer.
Eine Muskelmedizin, die diesen Namen wirklich verdient, sollte Körper und Seele gleichermaßen ansprechen. Im Umgang mit chronischen Rücken- und Nackenschmerzen sollten wir alle verfügbaren Instrumente einsetzen, um die körperlichen Symptome zu lindern und eventuell dahinter versteckte seelische Ursachen zu lösen. Die konventionelle Psychotherapie hilft Patienten in der Regel dabei, sich mit ihren individuellen Lebensfragen auseinanderzusetzen, während unsere Übungen zur Stressminderung Menschen helfen, sich allgemeiner körperlicher Prozesse – wie
der Atmung – bewusst zu werden, die einen großen Einfluss auf die Gefühlslage haben. Wenn Angst oder Wut zurückgehen, können auch muskuläre Anspannung und Schmerzen nachlassen. Das ist immer wünschenswert.
Wie bei allen Behandlungsweisen kommt es auf den passenden Zeitpunkt an. Bei einem Hexenschuss wünscht man sich nur, dass der Therapeut die Schmerzen beseitigt. Man verschwendet keinen Gedanken auf die Gefühle, die den Anfall ausgelöst haben mögen. Auch bei einem Herzinfarkt hoffen wir zunächst einmal, dass jemand uns das Leben rettet. Danach kann man sich immer noch Gedanken darüber machen, ob man vielleicht anders mit Stress umgehen sollte. (Das ist ein dramatisches Beispiel, das aber nicht weit hergeholt ist. Herzerkrankungen und Herzinfarkt stehen auch in Deutschland an der Spitze der Todesursachen, und Stress ist eine der Hauptursachen von Herzerkrankungen.)
STRESS UND STRESSABBAU
Ehe wir zu bestimmten Übungen für Körper und Seele übergehen, möchten wir diesen Stress näher ansehen, der uns so zusetzt. Stress ist eine Reaktion auf das Gefühl, von der Außenwelt überwältigt zu werden. In der Evolution des Menschen war unser Leben regelmäßig durch unsere Umwelt – wilde Tiere, lebensfeindliche Natur, was auch immer – bedroht. So entwickelte der Mensch eine hormonelle Reaktion, die uns im Nu dazu befähigen sollte, unser Leben zu retten, nämlich die so genannte Kampf-oder-Flucht-Reaktion . Dabei fordert das Gehirn das endokrine
System zur Erzeugung von Stresshormonen wie Adrenalin auf, die den Herzschlag beschleunigen und unsere Nervensystem auf Hochtouren bringen. Das ist genau das Richtige, wenn wir gegen einen Säbelzahntiger kämpfen (oder vor ihm fliehen) wollen, aber in der modernen Welt sind die Bedrohungen unseres Wohlbefindens oft psychischer Natur. So bleibt unsere Stressreaktion permanent eingeschaltet, ohne dass wir sie mit einer ausreichenden körperlichen Aktivität wieder abschalten. Die meisten chronischen Erkrankungen oder Störungen der letzten 100 Jahre gehen auf solchen ungelösten Distress zurück oder werden davon verschlimmert.
Seit Anfang der 70er Jahre untersucht die westliche Wissenschaft die gesundheitlichen Auswirkungen von Atem- und Meditationsübungen, insbesondere deren Fähigkeit, Stresshormone abzustellen, die vom sympathischen Nervensystem ausgeschüttet werden, und das gegenläufige parasympathische Nervensystem anzuschalten. Der Harvardforscher Herbert Benson leistete auf diesem Gebiet Pionierarbeit, indem er dokumentierte, wie sich Herzschlag und Atemfrequenz bei Meditierenden verlangsamen. Dies bezeichnete er als Entspannungsreaktion. Ende der
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