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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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fürchten. » Tony Havens knotete hastig um Pips Hemdkragen eine rosa und silberne Krawatte des Cricket Clubs von St. Swithin, die mit gekreuzten Schlägern und Skalpellen gemustert war. «Er wird dich schon nicht auffressen.»
    «Jedenfalls nicht auf einen einzigen Happen», sagte Hugo Raffles, der unterdessen mit einem Elektrorasierer Pips Kinn bearbeitete.
    «Ja, aber wißt ihr irgend etwas von den Patienten?» fragte Pip ungeduldig.
    «Nur von zweien. Sir Lancelot hat sie diesmal ausgewechselt. Er weiß, daß wir viele von den alten chronischen Fällen, die bei jedem Examen auftauchen, schon zu gut kennen. Halte nach einem Patienten Ausschau, der eine große Beule auf dem Nacken hat. Das ist ein Lipom.»
    «Ein simples Lipom sollte sich leicht genug diagnostizieren lassen», meinte Pip selbstsicher.
    «Beachte alles andere auch. Vergiß nicht, die Bettdecke zurückzuschlagen. Er hat keine Beine», informierte ihn Tony.
    «Hoffentlich ist dir die Rasur nicht unangenehm?» erkundigte sich Hugo. «Der Scherkopf ist ein bißchen klebrig. Es ist derselbe, der zur voroperativen Enthaarung dient.»
    «Wenn dir die fehlenden Beine nicht auffallen», fuhr Tony eindringlich fort, «wird dir Sir Lancelot gehörig dafür einheizen, daß du die Grundregel der Totaluntersuchung des Patienten unbeachtet gelassen hast. Dann gibt’s da noch einen alten Knaben, auf den du besonders aufpassen mußt. Die Kandidaten der vergangenen Woche haben mir von ihm erzählt. Er ist einer von Sir Lancelots alten Patienten, ein griesgrämiger, magerer Bursche mit glattem grauem Haar und einem kamelhaarfarbenen Dressing-Gown. Zumeist liest er den Daily Mirror. Du würdest nichts Besonderes an ihm entdecken, außer, daß er leichte Krampfadern am linken Bein hat, die aber keine Behandlung erfordern —»
    «Also einer von diesen Trickpatienten?» unterbrach ihn Pip freudig. «Einer, dem nicht das geringste fehlt, bei dem aber die Studenten die phantastischsten Diagnosen stellen —»
    «Durchaus nicht. Er hat ein Glasauge. Wenn du’s nicht entdeckst, bist du erledigt.»
    «Sir Lancelot hat eine spektakuläre Methode, Studenten bei diesem Kerl ihres Irrtums zu überführen», fügte Hugo hinzu, während er Pips
    Oberlippe rasierte. «Er nimmt einen Bleistift und klopft mit dessen Spitze elegant aufs Glasauge.»
    «Ein grauhaariger alter Knabe? Kamelhaarfarbener Dressing-Gown? Daily Minor? Das ist leicht zu merken.»
    «Der Rest wird der übliche Salat aus Organen und Knochen sein», sagte Tony. «Mehr todsichere Sachen konnte ich nicht herausbringen, obwohl ich irgendwas von einem Chinesen mit Gelbsucht gehört hab, ein typischer Juxartikel.»
    «Ich bin überzeugt, auf mich allein gestellt durchkommen zu können», erklärte Pip stolz. «Heute morgen bin ich hundertprozentig zuversichtlich. »
    «Wo hast du denn übrigens die Nacht auf heute verbracht?» fragte Hugo.
    «In einem Obdachlosenheim.»
    «Sind dort noch Betten frei? Nach deiner Fahne zu schließen, mußt du stockbesoffen gewesen sein.»
    «Ich hab lediglich Champagner getrunken», erklärte Pip gekränkt.
    «Trotzdem rate ich dir, alle Fragen nur aus den Mundwinkeln heraus zu beantworten.»
    Eine Glocke ertönte.
    «Du schaust dennoch zum Küssen aus», meinte Hugo bewundernd und schaltete den Elektrorasierer aus.
    Pip warf einen weißen Mantel über sein Samtjackett. Unter den «Hals-und-Beinbruch»-Rufen der Kameraden schoß er durch die Flügeltür des Krankensaals. Unmittelbar hinter dieser stand Sir Lancelot.
    «Ist Ihnen kalt?» begrüßte ihn der Chirurg.
    «Nein, Sir. Falls ich zittern sollte, wäre es aus Angst.»
    «Dann legen Sie den Kragen Ihres weißen Mantels zurück. Du lieber Himmel, Junge», rief er, als Pip seinem Wunsch nachkam. «Ich dachte, diese Art von Hemd sei mit Beau Brummei ausgestorben.»
    «Alles kehrt wieder, Sir.»
    «Dies ist ein Examen und keine Modenschau, würde ich annehmen», seufzte Sir Lancelot müde. «Ich habe mich zwar schon so weitgehend mit den modischen Extravaganzen meiner Studenten abgefunden, daß ich mich nicht mehr übermäßig aufregen würde, wenn sie zu den Schlußprüfungen in einem Mini-Sportsuspensorium aus Hermelin und einem Strohhut anträten. Studenten beiderlei Geschlechts, versteht sich.»
    Pips Zuversicht stieg. Seine beiden Freunde hatten recht gehabt. Sir Lancelot war tatsächlich seelisch weicher geworden. Pip hatte die vergangenen sechs Monate energisch, wenn auch unsystematisch studiert. Wenn ihm nicht ein

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