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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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schlängelte sich durch die Tische und übergab dem Mann, der am Kopfende des Tisches saß, einen Zettel. »Für Dottore Lazio, von einem Freund an der Bar.«
    Dr. Luca Lazio nahm die Nachricht in Empfang und versuchte, sie ohne Brille zu lesen. Als das nicht gelang, kramte er eine Lesebrille aus der Tasche seines Seidenblazers und versuchte es erneut. Lazio war ein fünfzigjähriger Apollo. Seine sorgsam gepflegten Haare waren eine Spur zu dunkel, die Haut an seinem Kinn ein wenig zu straff. Der Blick aus seinen grünen Augen huschte von der Notiz zur Bar im Inneren des Restaurants, an der zahllose Gäste dicht gedrängt standen. Er murmelte eine Entschuldigung und stand auf.
    Von seinem Sitzplatz an der Bar aus beobachtete Jonathan, wie Lazio näher kam. Obwohl er völlig erschöpft war, spürte er, wie beim Anblick des Mannes, mit dessen Hilfe er vielleicht eine Spur zu Emma finden konnte, seine Müdigkeit ein wenig verflog. Er erhob sich vom Barhocker. Lazio blieb wie angewurzelt stehen.
    »Mit mir hast du nicht gerechnet, stimmt's?«, fragte Jonathan.
    Lazio zerknüllte den Zettel in seiner Hand. »Als alten Freund hätte ich dich nicht gerade bezeichnet.«
    »Du bist also immer noch praktizierender Arzt.« Es war eine Feststellung und eine Erinnerung an einen geleisteten Dienst.
    Lazio zuckte mit den Achseln, wohl wissend, was er Jonathan schuldig war. »Ich habe seit jener Zeit keinen Alkohol mehr angerührt. Noch einmal danke.« Er zog Jonathan an sich, um ihn mit ein wenig Verspätung zur Begrüßung zu umarmen und auf beide Wangen zu küssen.
    Lazio hatte zu jenen Ärzten gehört, die nur für einige Monate in den Krankenhäusern arbeiteten, die Ärzte ohne Grenzen überall auf der Welt notdürftig errichtete. Vor sechs Jahren hatte er unter Jonathans Aufsicht in einem Lager in Eritrea gearbeitet. Als etliche von Lazios Patienten auf unerklärliche Weise starben, fand Jonathan heraus, dass der Arzt sie in betrunkenem Zustand operiert hatte. Er hatte Lazio vorübergehend vom Dienst suspendiert und eine Untersuchung eingeleitet. In der Zwischenzeit bekamen die Leute im Lager Wind von der Sache. Einem ärgerlichen Mob gelang es, Lazio in die Finger zu bekommen und ihn um ein Haar nach eigenen Regeln und Gesetzen zu bestrafen. Jonathan war dazwischengegangen und hatte in letzter Sekunde dafür gesorgt, dass Lazio in ein Flugzeug nach Rom gesetzt wurde. Der Italiener war so dankbar für die Rettung gewesen, dass er geschworen hatte, nie wieder einen Tropfen anzurühren. Alles in allem konnte Jonathan mit dem Ergebnis zufrieden sein.
    »Schön zu hören, dass du dich im Griff hast«, sagte er.
    »Was machst du hier in Rom?« Lazio blickte sich suchend an der Bar um. »Und wo ist Emma? Ich dachte, ihr macht nur in den Bergen Urlaub.«
    »Ab und zu machen wir mal eine Ausnahme«, sagte Jonathan und ging nicht auf die Frage nach Emma ein.
    »Du siehst so aus, als könntest du ein bisschen frische Bergluft ganz gut gebrauchen.«
    Jonathan warf einen Blick in den Spiegel hinter der Bar. Er war stundenlang gefahren und hatte dicke Ränder unter den vor Müdigkeit eingefallenen Augen. »Mir geht's ganz gut.«
    »Also«, sagte Lazio. »Verrate mir eins: Bist du nur zufällig in diesem Restaurant gelandet?«
    Jonathan trank sein Bier aus und schüttelte den Kopf. »Ich habe mit deiner Frau telefoniert und ihr gesagt, dass es sich um einen Notfall handelt. Sie hat mir verraten, wo du bist. Sie geht davon aus, dass du dich mit ein paar Ärzten aus dem Krankenhaus triffst.«
    Lazio warf einen Blick zum Tisch, an dem seine Freunde saßen. »Das stimmt.« Wieder zuckte er mit den Schultern. »Und was ist mit dir? Arbeitest du immer noch für einen Hungerlohn?«
    »Derzeit arbeite ich wieder in Afrika. In Kenia diesmal.«
    »Bist du deswegen hier? Um mich daran zu erinnern, was damals alles passiert ist?«
    »Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
    Lazio wirkte amüsiert. »Was kann ich denn für den großen Dr. Ransom tun?«
    Jonathan beugte sich nahe an Lazio heran, sodass er dessen Rasierwasser riechen und die grauen Haaransätze erkennen konnte. »Es geht um Emma. Sie war vor ein paar Monaten hier und musste nach einem Unfall operiert werden. Ich muss herausfinden, in welchem Krankenhaus sie gewesen ist.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Sie wurde überfallen und niedergestochen.«
    »Emma? Ich habe immer gedacht, dass sie mit so ziemlich allem fertig wird.«
    »So ist es auch. Meistens jedenfalls.«
    Lazio spielte mit

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