Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
ethnische Minderheiten gab, war schlichtweg zu gewaltig, um nur von einem Mann oder einer Familie regiert zu werden. Iwan der Schreckliche verließ sich auf seine Opritschnina, seine gefürchtete Leibgarde, die dafür Sorge trug, dass seinem Willen Folge geleistet wurde. Peter der Große stützte sich auf den russischen Altadel, die Bojaren. Beide Herrscher gewährten ihren Gefolgsleuten die Besitzrechte an großen Teilen des Landes und sicherten sich auf diese Weise deren uneingeschränkte Treue. So verschmolzen ihre unterschiedlichen Interessen, und die Herrscher mussten sich nicht über die Loyalität ihrer Gefolgsleute den Kopf zerbrechen.
    Auch im einundzwanzigsten Jahrhundert hatte sich an diesem Prinzip nicht viel geändert. Oberflächlich betrachtet wirkte Russland so monolithisch wie eh und je. Das neue, moderne Russland hatte eine Demokratie nach westlichem Vorbild, einen öffentlich gewählten Präsidenten und eine Zweikammerlegislative. Aber der Schein trog. Unter der Oberfläche lieferten sich die unterschiedlichsten Leute mit den verschiedensten Interessen eine erbitterte Schlacht. Statt ehemaliger Kriegsführer hatten nun Mafiabosse das Sagen. An die Stelle der Bojaren waren die Konzernchefs getreten. Man feilschte nicht mehr um Land, sondern um Geld und Anteile an großen Aktiengesellschaften, die die natürlichen Ressourcen Russlands ausbeuteten: Öl, Gas und Holz. Und mittendrin steckte der russische Inlandsgeheimdienst, der versuchte, so hoch wie möglich in der Gunst des Präsidenten zu stehen.
    Russland war immer noch ein von Clans regiertes Land, und daran würde sich auch nie etwas ändern.
    Der Mann, der die Krone trug, war habgieriger als alle anderen, und auf niemanden traf das mehr zu als auf Sergei Shvets, den Chef des FSB. Shvets verfolgte schon lange das Ziel, in den Kreml zu gelangen. Er würde sich mit nichts Geringerem als dem Präsidentenamt zufriedengeben.
    An diesem kühlen, regnerischen Morgen in Moskau sah es so aus, als ob ihm bis zur Verwirklichung seines Traums nur noch drei Männer im Weg standen. Einer von ihnen lag in einem Londoner Krankenhaus im Koma. Ein anderer besuchte gerade eine Gasförderanlage in Kasachstan und sollte spät am Abend zurückkommen. Für den dritten Mann, Lew Timken, erster Ratgeber des Präsidenten, hatte das letzte Stündlein bereits geschlagen.
    Shvets beobachtete, wie seine Agentin sich aus den Armen Timkens befreite und ihren Kopf zwischen seine Beine legte. Timken riss den Mund auf, und Shvets konnte das Grunzen des Mannes genau hören, obwohl der Ton ausgeschaltet war. Timken wand sich in lustvoller Ekstase. Die Augen traten ihm aus den Höhlen. Die Frau hob ihr Gesicht, küsste ihn auf den Mund und streichelte mit einer Hand über seine Wange.
    Shvets stellte sich vor, wie die Kapsel in den Mund gelangte, von den Zähnen zermahlen wurde und das Gift mit dem Speichel in den Magen gelangte. Er schüttelte sich bei diesem Gedanken.
    Timken schubste die nackte Frau unsanft vom Bett und versuchte aufzustehen. Die Frau hockte auf den Knien und beobachtete, wie Timken zusammenbrach und regungslos liegen blieb.
    Sergei Shvets tippte seinem Fahrer auf die Schulter. »Jasenovo«, sagte er. Während der Fahrt blickte er gedankenvoll aus dem Fenster.
    Einer war ausgeschaltet.
    Blieben nur noch zwei übrig.

39.
 
    Das Restaurant Sabatini funkelte wie ein Brillant vor dem wolkenlosen Nachthimmel Roms. Die weißgedeckten Tische waren in langen Reihen aufgestellt. Zarte Lichterketten tauchten die Tische in romantisches Licht. Über der Piazza Santa Maria thronte die majestätische Silhouette der Basilika di Santa Maria. Es war elf Uhr abends, und das Restaurant war bis auf den letzten Platz besetzt. Lautes Stimmengewirr vermischte sich mit dem Klappern der Teller und Gläser. Die unermüdlichen Kellner, die zwischen den Tischen hin und her eilten, vermittelten eine geschäftige Atmosphäre.
    Unter den zufriedenen Gästen stach eine Gruppe besonders hervor. Sie bestand aus acht Personen, drei Männern und fünf Frauen. Die Männer waren gebräunt und elegant gekleidet und wirkten dem Alter und Auftreten nach wie erfolgreiche Geschäftsleute. Der Jüngste war fünfundvierzig, der Älteste sechzig, aber sie alle besaßen den jungenhaften Charme der Italiener. Die Frauen waren deutlich jünger, fast noch Teenager, und auffallend schön. Sie hatten schmale, für Römerinnen untypische Nasen und große, offenherzig zur Schau gestellte Brüste.
    Ein Kellner

Weitere Kostenlose Bücher